Der Puppenfänger (German Edition)
Ilka.«
»Nit!«, brüllte Paula.
»Du bist jetzt brav, Paula, und machst keine Dummheiten. Ich gehe in die Küche und komme sofort zurück.«
Dieter wandte sich an das Mädchen. »Ichad geht mit Paula in die Krabbelgruppe?«
Diese Bemerkung fand Paula äußerst witzig. Sie lachte laut und anhaltend und amüsierte sich köstlich, bis sie entschied, den Streit mit Michel Haila fortzusetzen. Sie sah ihn scheel an und erklärte: »Du bit böte!«
»Okay, okay! Ich bin böte.«
»Ichad Tennipieln!«
»Okay, Ichad spielt Tennis, das kann ich auch«, brummelte Michel mit finsterer Miene.
Paula hatte sich vor ihm aufgestellt, achtete jedoch auf einen angemessenen Sicherheitsabstand, bedachte ihren Kontrahenten mit einem finsteren Blick und wiederholte: »Du bit böte! Böte! Böte!«
Simone kam zurück, stellte Geschirr auf den Tisch, schenkte Kaffee ein, holte anschließend eine Holzkiste mit allerlei Spielzeug, kippte die Kiste vor Paula auf dem Teppich aus und setzte sich in ihren Sessel.
»Würden Sie mir jetzt bitte endlich erklären, weswegen Sie gekommen sind? Sie erzählten mir eben, Sie hätten einige Fragen«, sagte Simone, jetzt schon etwas ungeduldiger. ›Keiner darf erwarten, dass du ruhig bist. Es ist normal, wenn du nervös und fahrig wirkst‹, hatte Richard gesagt.
»Auf einem Parkplatz bei Haren an der Ems wurde eine Leiche aufgefunden«, teilte Michel mit.
Simones Gesicht war kreidebleich geworden. Sie fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und stammelte: »Aber –! Sie versicherten mir doch soeben, dass es nichts Neues über Gerald zu berichten gibt.«
»Bei dem Toten handelt es sich nicht um Ihren Mann, sondern um Gunnar Laxhoff. Kennen Sie ihn?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Gunnar Laxhoff ist ein Halbbruder Ihres Mannes«, führte er weiter aus.
»Gerald hat keine Verwandten«, erwiderte Simone, noch immer kopfschüttelnd. »Ich begreife die Zusammenhänge nicht, und ich möchte endlich erfahren, wo sich mein Mann befindet.«
»Das wüssten wir auch gerne«, erwiderte Haila kühl.
»Wie alt bist du, Paula?«, fragte der Blonde.
Simones Geduld war verbraucht und ihre Nervosität kaum mehr zu bändigen. Richard hatte zwar recht gehabt mit seiner Annahme, Paula würde die Aufmerksamkeit der Polizeibeamten auf sich ziehen, aber das Frage-und-Antwort-Spiel zwischen dem langen Blonden und Paula, das seit geraumer Zeit vor ihren Augen ablief, ähnelte für sie einem Horrorfilm und war unerträglich. Statt ihre Fragen zu beantworten, beschäftigte der Lange sich auf die hinterlistigste Art und Weise mit dem Kind, und sein Kollege verhielt sich dermaßen widerborstig, dass sie ihm jedes Wort aus der Nase ziehen musste.
»Ich kenne keinen …, was sagten Sie …, wie heißt der Mann?«
»Laxhoff, Gunnar Laxhoff«, antwortete Haila, während Paula auf den Schoß seines Kollegen kletterte und äußerst interessiert mit beiden Händchen seine Nase befühlte.
»Mein Mann hat keinen Bruder«, wiederholte Simone mit zittriger Stimme.
»Halbbruder«, korrigierte Michel. Er warf Dieter und Paula einen kurzen Blick zu. Endlich hatte er begriffen und beglückwünschte den Chef insgeheim, dessen Strategie aufgegangen war. Während er vorgab, mit dem Kind zu spielen, hielt er die Mutter zum Narren und wartete seelenruhig ab, bis sie die Nerven verlor.
»Sie müssen uns schon glauben, dass wir Ihnen die Wahrheit sagen, Frau Schöllen«, erklärte Michel in einem sehr energischen, scharfen Ton. »Wenn wir Ihnen mitteilen, dass man die Leiche Ihres Schwagers aufgefunden hat, dann entspricht das den Tatsachen.«
»Ich mache mir große Sorgen um Gerald«, klagte Simone mit weinerlicher Stimme. »Bereits am Montagabend wollte ich eine Vermisstenanzeige aufgeben, aber man hat mein Ansinnen nicht ernst genommen und mich nach Hause geschickt. Ich schlafe kaum noch. Immerzu denke ich daran, dass man meinen Mann entführt hat und ihn irgendwo gefangen hält. Ich traue mich nicht aus dem Haus, weil ich Angst habe, Gerald oder einer seiner Entführer könnte gerade dann anrufen, wenn ich nicht da bin. Jetzt tauchen Sie hier auf und erzählen mir, dass man die Leiche seines Halbbruders gefunden hat. Gerald hat keinen Bruder. Zumindest habe ich bis vor wenigen Minuten nicht gewusst, dass er einen hat.« Sie schluchzte trocken auf, verbarg ihr Gesicht in den Händen und begann zu weinen.
Paula ließ sich vom Schoß des blonden Polizisten rutschen, lief überraschend flink zu ihrer Mutter und
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