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Der Puppenfänger (German Edition)

Der Puppenfänger (German Edition)

Titel: Der Puppenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joana Brouwer
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Buttenstetts Grundstück aufgehalten hatte, kam plötzlich zurück, heftiger und quälender als zuvor. Sie schalt sich hysterisch, sah sich um und lehnte sich erst beruhigt gegen die harte, metallene Rückenstütze der unbequemen Bank, als sie niemanden entdecken konnte, der zu ihr herüberschaute. Ihr Blick fiel erneut auf die Schleife. Gutes wird mit Gutem vergolten, Böses mit Bösem. Nichts wird vergessen, die Zeit der Vergeltung wird kommen . Über diesen Leitspruch hatte sie lange genug gegrübelt, sich Gedanken gemacht über Rache, Vergeltung und Aussagen wie: Zahn um Zahn , Auge um Auge oder Gleiches mit Gleichem vergelten . Doch nur mit sehr viel Phantasie war es ihr gelungen, einen Zusammenhang zu Gerald Schöllen oder Gunnar Laxhoff herzustellen. Die einzige Verbindung, die ihr einfiel, ergab sich aus dem Verhältnis zwischen Simone Schöllen und Richard Wanner und führte von Richards verstorbener Ehefrau Christina über ihre Zwillingsschwester Alexandra, um dann bei deren früherer Freundin Beate Buttenstett zu enden. Wahrscheinlich traf Dieters Vermutung zu, und der Spruch auf dem Schleifenband stand in keinerlei Zusammenhang mit dem Mord an Laxhoff und Schöllens Verschwinden.
    Heide erhob sich und schlug den Rückweg ein. Ehe sie wieder nach Nordhorn fuhr, würde sie einen Blick in den Grünabfallbehälter werfen. Mit ganz viel Glück fand sie auf dem Papier, das Marianne Wanner weggeworfen hatte, einen Hinweis, der ihr den Weg in ein Blumengeschäft zeigte, das auch Grabschmuck verkaufte. Nur wenig später begriff sie, dass heute tatsächlich ihr Glückstag war. Das Einwickelpapier stammte aus einem Laden in Nordhorn. Er hieß BluBiz und befand sich in der Kokenmühlenstraße. Heide kannte ihn gut. Celia, die Lebensgefährtin ihres Vaters, kaufte im BluBiz ein, und auch sie selbst ließ sich dort gerne kurz gebundene Sträuße zusammenstellen. Heute war der Laden wie jeden Montag nur vormittags geöffnet. Heide warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und stellte erfreut fest, dass ihr bis zum Geschäftsschluss und bis zu ihrer Verabredung mit Dieter genügend Zeit für einen Abstecher blieb.
    *
    An der Wand hinter der Sitzgruppe hing ein farbenfrohes Aquarell, das zwei Mädchen zeigte. Sie waren gleich angezogen und saßen dicht nebeneinander auf einem Hocker vor einem Klavier, die Gesichter dem Betrachter zugewandt. Die eine der etwa vierjährigen Schwestern lächelte folgsam. Ihre kleinen Händchen lagen mit gespreizten Fingern brav auf den Tasten. Die andere hatte einen Fuß auf den Hocker gestellt und das Bein angezogen. Sie umfasste ihr Knie mit beiden Händen. Ihr Lächeln wirkte frecher als das ihrer Schwester, so, als wollte sie sagen: Schaut nur, ich bin ich, und ich bestimme, wann und ob ich musiziere.
    Michel war vor dem Bild stehen geblieben und betrachtete es interessiert.
    »Der Künstler hat die Mädchen kaum gekannt und fast ausschließlich nach Fotografien und unseren Erzählungen gearbeitet«, sagte Volker Heidmann, dem Michels Interesse nicht entgangen war. »Trotzdem ist es ihm gelungen, das Wesen der Zwillinge in seinem Werk einzufangen. Wenn die beiden nicht redeten und sich nicht bewegten, was äußerst selten geschah, dann konnten nur ihre Mutter und ihre Großmutter sie auseinanderhalten.« Heidmann lächelte. »Die vordere ist Sabine, dahinter sehen Sie Susanne. Bine war ihrer Schwester immer einen Schritt voraus, und Suse hatte eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe.«
    Er schwieg einen Augenblick und fügte wehmütig hinzu: »Die Kinder waren angeschnallt und saßen im Fond des Autos in ihren Sitzschalen, als der Unfall geschah. Ihre Mutter war mit ihnen im Schwimmbad gewesen. Aber das hat Ihnen Richard ja erzählt. Er hat eben angerufen und mich darüber informiert, dass uns zwei Beamte der Kriminalpolizei aufsuchen würden. Setzen Sie sich bitte. Frau Wanner kommt jeden Moment zurück. Sie ist zum Friedhof gefahren.«
    Dieter nahm in einem Sessel Platz und beobachtete Michel, der zu einem Tischchen ging, auf dem gerahmte Schnappschüsse der Zwillinge standen. Einzeln aufgenommen und gemeinsam. Auf der Schaukel, in ihrem Spielhaus, auf dem Roller, auf dem Rad. Beide auf dem Rücken eines Pferdes, im Schwimmbad, im Wasserbecken, klatschnass auf der Rutsche, auf der Liegewiese.
    »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee?«
    »Nein danke«, erwiderte Dieter.
    Michel war ans Fenster getreten und blickte in einen Garten, der einer riesengroßen bunt gestrichenen Puppenstube oder

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