Der Purpurkaiser
nichts.«
Cyril gab die mentale Entsprechung eines überdrüssigen Seufzers von sich. »Eben nicht ›weiter nichts‹. Ich hab’s dir schon zehntausendmal gesagt: Du wirst in der Lage sein müssen, als Lord Hairstreak durchzugehen. Du warst nicht gerade ein Musterschüler, als er dich zum Larvenmeister geschickt hat, stimmt’s?«
»Ich bin bloß am Gang gescheitert«, sagte Chalkhill gereizt. »Aber dabei kannst du mir ja jetzt helfen. Dafür sind wir einander schließlich überhaupt erst vorgestellt worden.«
»Ich kann dir nur mit dem Gang helfen«, sagte Cyril. »Aber da gibt es noch haufenweise andere Sachen. Du musst die Leute kennen, die er kennt, und sie mit ihrem Namen grüßen. Jetzt geht es um mehr als vorher. Hairstreak, wie er den Krönungsfeierlichkeiten für Pyrgus beiwohnt, hätte problemlos verschlossen und grummelig sein dürfen – man hätte es von ihm erwartet. Aber jedermann weiß, dass Comma nur seine Marionette ist. Man wird erwarten, dass Lord Hairstreak herumstolziert wie ein Gockel. Und vergiss nicht, dass du auch später noch Hairstreak spielen wirst. Dafür braucht es mehr als nur ein paar Stunden mit einem Larvenmeister – du wirst jede Minute nutzen müssen, die uns bleibt, um dich auf deine Rolle vorzubereiten. Cossus wird persönlich dein Training übernehmen. Du brauchst Übung. Im Herumkommandieren von Dienstpersonal und was weiß ich noch alles.«
»Ich weiß, wie man Dienstpersonal herumkommandiert«, sagte Chalkhill säuerlich.
Der Wangaramas ging nicht darauf ein. »Und du wirst es mit hochrangigen Dämonen zu tun haben. Ich weiß, die Portale sind zurzeit geschlossen, aber Hairstreak hat seine Höllenpfuhle, also kannst du dich auch gleich jetzt daran gewöhnen, die blöden Viecher zu schleifen. Irgendwann sind die Portale ohnehin wieder offen. Dann wäre da noch die Frage – «
Chalkhill fühlte sich erschöpft, wie immer, wenn die geistige Auseinandersetzung an diesem Punkt ankam. »Na schön«, sagte er laut. »Du hast gewonnen.«
Falls er auf dem Weg über den Rasen von einem Haniel gefressen werden sollte, würde es eine Erlösung sein.
Zweiundsechzig
H enry tat das Herz weh, aber nicht halb so schlimm wie die Hände und die Brust. Er konnte nicht richtig sehen, trotzdem erkannte er, dass seine Handflächen nur noch rohes Fleisch waren. Er versuchte, sich zu bewegen, und ein grässlicher Schmerz durchfuhr seinen Körper.
Er ächzte, brachte aber keinen Laut heraus.
Um ihn herum waren Leute, aber er konnte sich nicht erinnern, wer sie waren. Sie kamen in sein Blickfeld geschwebt, dann verschwanden sie wieder, und ihre Stimmen hoben und senkten sich, kamen näher, verloren sich wieder. Die eine Gestalt sah wie Blue aus. Er hoffte, dass es Blue war, denn das hätte bedeutet, dass sie nicht tot im Wald lag. Er konnte nicht erkennen, ob sie sauer auf ihn war, weil er sich so verspätet hatte.
»Er lebt noch. Ich glaube, er lebt noch.«
»Kannst du sehen, ob er atmet?«
»Nein.«
»Ich glaube, die Augen sind eben noch zu gewesen.«
»Reiner Reflex. Das macht der Feuerball.«
»Der Körper reagiert noch Stunden, nachdem das Herz stehen geblieben ist. Die Energien aktivieren immer noch die Nerven.«
»Ich hab mal gesehen, wie jemand fünf Schritte gelaufen ist, obwohl er mausetot war.«
»Er lebt, du blöde Kuh!« Das war Blue. Das war eindeutig ihre Stimme.
Henry versuchte »Hallo, Blue« zu sagen, aber kein Laut drang aus ihm heraus. Seine Augen schlossen sich, ganz von allein, so dass er wieder in roter, schmerzerfüllter Dunkelheit lag. Ihm kam der Gedanke, dass er starb, und es war ihm egal.
»Er lebt!«, sagte Blue wieder. »Er atmet!«
»Davon merke ich nichts.«
Jemand zog ihm das Hemd aus, das ihm die Seidenherrinnen gegeben hatten. Er hörte einen schockierten Aufschrei.
»Der übliche Effekt«, sagte eine kühle weibliche Stimme. »Hätte er keine Spinnerseide getragen, hätte sich das Feuer bis zu seinem Herzen vorgefressen.«
»Wie das schäumt… Igitt, da tritt ja überall Blut aus.«
»Das sind nur Brandblasen, weiter nichts.«
»Das ist Schaum!«
»Gefällt mir überhaupt nicht.«
Henry spürte, wie sich in ihm etwas entspannte. Der Schmerz schien weit weg, als er sanft in der Dunkelheit versank.
»Tut doch was!«, fauchte Blue. Ein Grauen erfasste sie, drohte sie zu überwältigen. So war auch ihr Vater gestorben: Gerade noch gesund und munter – und im nächsten Moment tot.
Nymph runzelte die Stirn. »Er braucht
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