Der Rausch einer Nacht
fünftausend entgegen.«
Der Auktionator hob die Brauen und ließ mit selbstsicherem Lächeln den Blick über die Menge schweifen. Dann fragte er auffordernd: »Wer möchte beginnen?«
Eine Hand hob sich irgendwo in der Mitte des Saals, und der Mann nickte sofort. »Mr. Seifer eröffnet die Versteigerung mit zweihunderttausend. Bietet jemand mehr? Ja, dort drüben, zweihundertfünf von Mr. Higgins. Und zweihundertzehn von Mr. Altour. Vielen Dank, meine ...«
»Zweihundertfünfzig!« rief Franklin Mitchell.
Cole mußte sich ein Grinsen verkneifen. Wie konnte jemand so idiotisch sein, eine Viertelmillion für einen über einen Meter hohen Klumpen Metall auszugeben, der aussah, als habe jemand Bananen und Körperteile mit Bronze überzogen?
»Zwei-siebzig!« bot der nächste.
Der Auktionator glühte vor Aufregung und sah den Präsidenten fragend an.
»Dreihundert!« rief Mitchell und sank damit in Coles Wertschätzung noch ein Stück tiefer.
»Dreihunderttausend Dollar, meine Damen und Herren, und dabei haben wir gerade erst angefangen!« begeisterte sich der Mann mit dem Hammer, so als stelle er den menschlichen Seismographen in diesem spannungsgeladenen Saal dar. »Vergessen Sie bitte nicht, daß die Erlöse einem wohltätigen Zweck zugeführt werden...«
»Dreihundertzehn!« brüllte jemand.
»Mr. Lacey hat gerade drei-hundert-und-zehn-tausend Dollar geboten!« rief der Auktionator, nur um sich gleich korrigieren zu müssen, »und Mr. Seifer ist mit vierhunderttausend wieder eingestiegen. Höre ich vierhundertundzehn?« Er sah sich erwartungsvoll um und nickte dann begeistert. »Ja, mittlerweile stehen wir bei vierhundertundzehntausend. Bietet jemand vierhundertzwanzig?«
Am Ende wurde die Skulptur für vierhundertundsiebzigtausend Dollar ersteigert. Der hocherfreute neue Besitzer schrieb rasch seinen Scheck aus und reichte ihn einer der Assistentinnen des Auktionators. Danach erhob er sich, trat an Coles Tisch und bedankte sich bei dem Spender. Dabei handelte es sich um mehr als eine bloße Geste. Das Ritual des persönlichen Dankes stammte noch aus der Anfangszeit des White Orchids und symbolisierte einen akzeptablen Transfer von Eigentum und Verantwortung von Spender auf Neubesitzer.
Als der Dankende sich wieder entfernte, schaute der Altbesitzer auf seine Uhr und warf dann einen Blick in den Katalog, um seine wachsende Ungeduld zu verbergen. Noch vier Kunstwerke würden zur Versteigerung gelangen, ehe die Abteilung >Für die Ladys< anstand, bei der ein Dutzend Schmuckstücke und Pelze unter den Hammer kämen. Die Broschüre begann mit einer zweiseitigen Einführung in Geschichte und Tradition des seit hundert Jahren regelmäßig abgehaltenen Balls, und Cole studierte den enthusiastischen Rückblick mit wachsender Erheiterung.
Laut dieser Einführung hatten auf den ersten Bällen nur die bedeutendsten texanischen Familien Zutritt gefunden, während das Volk weitgehend ausgesperrt geblieben war. Unter den Traditionen fand sich auch der Hinweis, daß seit Einführung der Auktion bis zum heutigen Tag die Stücke, die den Ladys vorbestimmt waren, von eben denselben vorgeführt wurden.
Harrison wollte die Verstimmung beheben, die er vorhin bei Mrs. Canfield, der Erbin der Gründer, und ihrem Sohn hervorgerufen hatte, legte die Broschüre vor sich hin und erklärte: »Nach dem, was ich gerade gelesen habe, vereint dieser Ball einige nette Sitten und Gebräuche in sich.«
Die ältere Dame wirkte erleichtert, daß der Ehrengast nun doch etwas Interesse an der Veranstaltung aufzubringen schien. Sie war mindestens achtzig, hatte ihr Haar blau getönt, besaß die Hautfarbe einer Porzellanpuppe und trug so viele Halsketten, daß kaum ein Stück Haut ihres Ausschnitts unbedeckt blieb. »Viele davon gehen sogar bis auf die Gründerjahre zurück.«
Cole nickte ihr aufmunternd zu. »Dem Katalog ist zu entnehmen, daß die Schmuckstücke und Pelze von Damen vorgeführt werden, die an diesem Ball teilnehmen. Man stellt sie also nicht auf Displays aus?«
»Dahinter steckt eine hübsche Logik«, freute sich die alte Dame wie ein Teenager. »Wissen Sie, in der Anfangszeit war allen Beteiligten bewußt, daß die Trägerin das Stück, das sie vorführte, gern für sich haben wollte. Ihr Mann oder Freund oder was auch immer stand dann in der Pflicht, den Gegenstand für sie zu erwerben.«
»Das hört sich ja wie eine milde Form von Erpressung an«, grinste Harrison.
»Genau das war damit auch beabsichtigt«, bestätigte
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