Der Schatz von Njinjo (German Edition)
der überstandenen Strapazen überwindet er alle Scham und ordert gleich noch eine zweite Portion für nochmal fünfzig Cent. Der Kellner, der gerade den Tisch abwischt, will es kaum glauben. Einige andere Gäste strafen Petermanns Luxus mit neidischen Blicken.
Kurz vor Sonnenuntergang ist der Deutsche mitsamt seines Gepäcks aus dem guest house zurück in seinem Zimmer. Der Raum lässt sich verschließen, beleuchten, lüften – was will man mehr? Trotz aller Angst und eines unangenehmen Hustens gelingt es ihm tatsächlich, zwei Stunden lang durchzuschlafen.
Als er kurz nach acht aufwacht, ist es draußen stockduster. Auch im Gastraum seines „Hotels“ vorm Gang ist nichts mehr los. Trotzdem ist die Nacht erfüllt von allerlei Geräuschen: Nahes und fernes Gelächter, leises Singen, Gespräche, Geklapper und Flaschenklimpern. Petermann hat Durst. Bei seinem Rundgang am Nachmittag hatte er unweit des Shukura, zwei Straßen um die Ecke, eine Art Gartenbar entdeckt, in die es ihn fast unwiderstehlich zieht. Die Nacht macht alle Katzen grau, auch Weiße. Wenn bisher niemand nach ihm gefahndet hat, wird er sich vielleicht doch ungestraft im Ort bewegen können.
Unter den Strohdächern über den Tischen von „Danny’s Bar“ baumeln lichtschwache bunte Glühbirnen. Die Bar ist ein Betrieb ohne Innenräume, dafür gut besucht. Vom Meer her weht eine sanfte, tropische Brise über den Platz. Überall sitzen Bier trinkende Männer, die sich unterhalten, Mühle mit Kronkorken oder Domino spielen. Auch zwei, drei junge Frauen – Konkubinen? Nachtschwalben? moderne Tanzanierinnen? – entdeckt der Deutsche wie gewohnt. Er nimmt Platz an einem leeren, unbedachten Tisch, der wacklig am Rande des Hofs im Dunkeln steht.
„Ein Bier?“, fragt ihn bald darauf der Wirt, der es sich nicht nehmen lässt, den einzigen wazungu selbst zu bedienen.
„Bitte.“
„Deutsches oder tanzanisches?“
Petermann stutzt: Ahnt sein Gegenüber etwa, woher er kommt? „Tanzanisches natürlich“, sagt er schnell.
„Aber das ist nicht kalt ...“, warnt ihn der Wirt, ein sportlicher Typ, den man nur wegen seiner Halbglatze auf mindestens vierzig schätzt.
„Oh. Dann doch lieber das deutsche.“
Bald darauf sitzt Petermann vor einer triefenden Drittelliterdose „Beck’s“ und wundert sich, wieso die hier mit unter zwei Euro noch 500 Shilling billiger ist als das einheimische Bier.
Eine Stunde später haben sich die Tische um ihn herum gelichtet. Die Fragen, die er sich so stellt, sind nach dem dritten Beck’s schon schwammiger geworden. Aber auf Antworten hofft er heute Abend ohnehin nicht mehr. Eigentlich ist Petermann nur noch müde, doch irgendwie ängstigt es ihn auch vor dem Bett. Beim Bestellen seines vierten Bieres schließlich fragt ihn der Wirt nach seiner Herkunft:
„Woher kommen Sie, Sir, wenn ich fragen darf?“
„Aus Deutschland, Ujerumani “, antwortet Petermann. Warum auch eine Geschichte erfinden.
„Oh, West oder Ost?“
Petermann ist erstaunt, dass das hier noch eine Rolle spielt. „West. Aus einem Dorf bei Hamburg, im Norden.“
„Hamburg? Das ‚Tor zur Welt’?“
„Ja, kennen Sie die Stadt?“ Petermanns Erstaunen wächst. Stößt er nach Jakaya Ulotu hier etwa schon wieder auf einen ins Nirwana abgeschobenen Deutschlandkenner?
„Nein, nur diesen Werbespruch ... Ist ein Riesenhafen, oder? Entschuldigen Sie meine Neugier, Sir. Sam Masisi, mein Name.“ Masisis rundes Gesicht strahlt. „So oft kriegen wir hier keinen Besuch aus Ihren Breiten. Dafür liegt Kilwa einfach viel zu abseits.“
„Keine Ursache. Ich unterhalte mich gern.“ Petermann untertreibt: Er lechzt geradezu danach, einen ersten hilfreichen Kontakt herzustellen.
„Sind Sie geschäftlich hier?“, fragt der Wirt ihn weiter aus.
„Nein, als Tourist.“
„Na sowas. Allein?“
„Ja.“
„Ja, sollte unser historisch so überaus bedeutsames Nest doch irgendwann noch mal entdeckt werden? Immerhin sind Sie dieses Jahr schon der Erste! Ha, ha! – Wollen Sie die Ruinen drüben auf der Insel besichtigen?“ Zum Glück hat Petermann im Reiseführer ein paar Sätze über Kilwa Kisiwani gelesen, einer der weltweit ersten „UNESCO-Weltkulturerbestätten“, seit Jahren vom Verfall bedroht und auf der roten Liste: Reste einer bedeutenden mittelalterlichen Hafenstadt, deren Händler mit Gold, Parfüm, Tongut aus Persien, arabischem Geschirr, chinesischem Porzellan, Elfenbein und anderen edlen Waren handelten.
„Ja,
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