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Der Schatz von Njinjo (German Edition)

Der Schatz von Njinjo (German Edition)

Titel: Der Schatz von Njinjo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Gleiß
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Menschen an Bord hat er eine Reihe Asiaten und drei weitere Europäer oder Amerikaner ausgemacht, ein junges Pärchen in der zweiten Klasse sowie einen Mann in seinem Alter, der auf einem Sofa einige Meter weiter zu schlafen versucht. Mit ihm, einem Kunsterzieher aus Großbritannien, der – „rein philanthropisch!“ – tanzanische Holzschnitzkünstler bei der Vermarktung ihrer Kunst unterstütze, hat Petermann vorhin ein paar Worte gewechselt, bis ihm klar wurde, dass der Mann ihm eher auf den Wecker gehen denn bei der Weiterreise eine Hilfe sein würde. Mittlerweile geht es dem Deutschen für jegliche Unterhaltung ohnehin viel zu schlecht. Es droht eine höllische Nacht. Dabei ist das Meer, wie ihm die Stewards spöttisch versicherten, heute keineswegs besonders rauh.
    Nein, dies ist Petermanns erste Seefahrt, die ihm absolut keinen Spaß macht. Wenigstens muss er so auch nicht allzu viel ans Risiko denken, das er durch seine Flucht aus Dar es Salaam heraufbeschworen hat. Ob es so eine gute Idee war, sich auf diesem Schrottkahn einzuschiffen? Auf der Fahrt ans Ende der Welt, oder wohin noch? Schließlich liegt Mtwara ja nicht unbedingt soviel näher an seinem Ziel als Dar es Salaam. Wäre ein Bus nicht doch bequemer gewesen? Hätte man ihn da wirklich eher geschnappt? Sollte man ihn jetzt irgendwo im Land aufgreifen und mit Finn Schüttes Tod in Verbindung bringen, droht sowieso massiver Ärger. Tanzanische Gefängniszellen, ganz besonders die im Hinterland, sind, so viel schwant ihm, gewiss keine Zonen gehobener Menschlichkeit. 
    Die Nacht vergeht stampfend, mit zwölf, vielleicht fünfzehn Knoten schiebt sich das Schiff Stunde um Stunde weiter nach Süden. Gegen drei Uhr morgens haben sich Petermanns Eingeweide endlich einigermaßen an das Meer gewöhnt. Er steht draußen an der Bordwand, einen Meter entfernt von der Reling und sehnt sich nach den ersten hellen Streifen am Horizont. Dafür ist es natürlich noch viel zu früh. Trotz des lauen Winds von achtern fröstelt ihn, doch in der stickigen, engen Lounge sieht er keine Chance, an seine Jacke im Rucksack heranzukommen. 
    Die nächsten Stunden pendelt er zwischen kurzen Liegephasen auf dem Teppichboden und Ausschauhalten nach den ersten Sonnenstrahlen hin und her. Dann endlich, seine Uhr zeigt sechs Uhr dreiundzwanzig, bricht lichterloh der Tag hervor. Minutenschnell entfacht die aufsteigende Sonne zwischen den wegziehenden Wolken ein Feuerwerk an Farben. Fünf Minuten später ist es hell, die Wellen glitzern lichterloh, noch vor sieben wird es draußen schrecklich grell.
    Petermann gelingt es, ein kleines Frühstück einzunehmen: Chai , Toast, bloß keine Eier! Sein britischer Reisegefährte gesellt sich hinzu und setzt an zu einem längeren Vortrag über den Sinn und Zweck der Anwesenheit eines Kunsterziehers „hier unten am Ende der Welt“. Er sei als Freiwilliger hier, nicht wegen der Bezahlung – die sei vernachlässigbar –, der Sache wegen. Die Männer hier verstünden so wahnsinnig viel von ihrem Handwerk, der Schnitzkunst, nur leider überhaupt nichts vom Marketing. Dafür sei er da.
    „Die ostafrikanische Küste ist berühmt für ihre ‚Makonde’-Schnitzereien. Die Makonde kommen ursprünglich aus Moçambique, aber leben heute überall an der Küste. Ihre Skulpturen, die Fruchtbarkeit und Glück geweiht sind, fanden im Laufe der Jahrhunderte ihren Weg hinauf bis nach Mombasa und Malindi. Dazu haben sowohl koloniale als auch neokoloniale Faktoren beigetragen“, doziert der Brite, staubtrocken ohne jeden Anflug von Humor. „Das verwendete, schwarz-lila gezeichnete Palisanderholz wird in Europa auch als Werkstoff für Blasinstrumente und Tastaturen geschätzt. Es ist extrem hart und schwer.“
    Petermann, bemüht um Höflichkeit, wirft ein: „Wirkt poliert wie ein großer schwarzer Edelstein!“
    „Ja, tatsächlich. Ihren besonderen Reiz erhalten die Schnitzereien allerdings erst durch die Mixtur aus tiefdunklem Kernholz und dem hellgelben, viel weicheren Splintholz unter der Rinde. Das fängt allerdings viel früher an zu verrotten, dann haben die Schnitzer nicht mehr viel davon. Früher legten die Künstler gar keinen besonderen Wert auf Haltbarkeit, ihre Werke waren zum Alltagsgebrauch bestimmt, für Riten und in bestimmten Mythen. Die Kunst war integraler Bestandteil ihres Lebens, kein zusätzlicher, aus kommerziellen Gründen aufgesetzter. Dann aber kamen die Touristen mit ihrem Bedürfnis nach ‚Kulturgut von Bestand’. Das hat

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