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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Onkel geschenkt hat. Als ich die Wand in diesem Jahr gestrichen habe, ahnte ich nicht, dass mein Sohn bald sterben und es keine Bilder mehr geben würde. Hätte ich das gewusst, hätte ich nichts daran gemacht, bis die Farben verblichen wären.« Er legte seine kräftigen Fingerspitzen aneinander. »Ich frage mich, ob du eine Strafe der Götter bist, weil ich ihnen nicht die Verehrung entgegenbringe, die sie verlangen.«
    Huy antwortete nicht. Dazu gab es nichts zu sagen. Er betrachtete das wettergegerbte Gesicht, die geliebten, vertrauten Züge, den kräftigen, muskulösen Nacken.
    Hapu sah ihn nicht an. »Nun, wir werden es bald wissen«, setzte er tonlos hinzu. »Der Priester wird mit Räucherharz und Wasser aus dem Heiligen See in Iunu kommen. Wenn mir bewiesen wird, dass du wirklich mein Sohn bist, werde ich den Göttern den regelmäßigen Dienst erweisen, den ich ihnen immer verweigert habe. Haben sie mir jedoch ein Gräuel ins Haus geschickt, werde ich ihnen allen auf ewig abschwören, und kein Priester darf je wieder einen Fuß auf mein Grundstück setzen.« Er schluckte. Mit einem Stich im Herzen sah Huy, dass plötzlich Tränen über Hapus staubiges Gesicht liefen. »Wenn ich meinem Sohn Huy Unrecht tue, tut mir das sehr, sehr leid«, schloss er. »Ich sehne mich danach, ihn in die Arme zu schließen, doch ich weigere mich, das Böse zu umarmen. Deshalb werden wir, bis der von mir gewünschte Beweis erbracht ist, keinen Umgang miteinander haben.« Er stand auf und ging ins Haus: ein großer, stolzer Mann, dessen breite Schultern von einer unsichtbaren Last niedergedrückt wurden.
    Huy beschloss, niemanden mehr zu ängstigen und zu beschämen. Er zog sich in sein Zimmer zurück und würde dort bleiben, bis die Exorzierung durchgeführt war. Er überlegte, nachts herauszukommen, um zur Kräftigung durch die Gärten und unter den Obstbäumen zu spazieren, wenn niemand dort sein würde, aber seine neue Angst vor den Stunden, die Re im Körper der Nut verbrachte und mit den Dämonen kämpfte, die ihm auflauerten, brachten ihn rasch davon ab. Doch er fürchtete sich nicht nur vor dem, was im Schutze der Dunkelheit lauern könnte. Die Sorge, dass sein Körper einen bösen Geist oder, schlimmer, einen Dämon beherbergen könnte, wuchs. Vielleicht hatte er sich an jenen Stellen eingenistet, wo ihm seine Erinnerungen fehlten. Huy sehnte sich nach Mohn und konnte nicht schlafen.
    Drei Tage nach der Begegnung mit seinem Vater kam Methen. Huy erhob sich, um ihn zu begrüßen. Er hatte am Fenster gesessen und niedergeschlagen seinen Bruder beobachtet, der unter den wachsamen Augen von Hapsefa seine ersten Gehversuche machte. Huy achtete sorgfältig darauf, dass er dabei nicht gesehen wurde. Zugleich ärgerte ihn die Vorsichtsmaßnahme und kränkte ihn noch mehr. Da war der Besuch des Priesters eine willkommene Ablenkung.
    »Ich hatte gehofft, ich könnte mit dir für die Exorzierung in den Tempel von Iunu fahren«, begann er ohne Umschweife, »aber alle Schiffer weigern sich, ihr Boot bereitzustellen, sobald sie hören, wer an Bord kommen soll. Ich konnte nicht einen überreden, uns zu helfen.« Er setzte sich auf die Kante von Huys Bett und goss sich einen Becher Wasser ein. »Ich verstehe die Ängste, aber es ärgert mich trotzdem. Ich habe mich auch an deinen Onkel gewandt, aber er war ebenso uneinsichtig wie die anderen.« Er seufzte und trank mit finsterem Blick. »Ich habe dem Re-Oberpriester geschrieben, und er hat mit einem langen Brief geantwortet. Er scheint dich gut zu kennen, Huy, und schickt jemanden für deine Untersuchung direkt zum Chenti-Cheti-Tempel.«
    »Das ist eine gute Nachricht, Methen. Meine Lage wird endlich geklärt.«
    »Vielleicht.« Methen zögerte. »Der Oberpriester schickt eine Rechet. Egal, was sie herausfindet – es kann sein, dass die Leute in Hut-Herib das Urteil einer Frau nicht anerkennen.«
    Huy bekam einen trockenen Mund. »Ich wusste gar nicht, dass es in Iunu eine Rechet gibt. Sie sind sehr gefürchtet. Sie haben große Macht. Was, wenn sie mich mit einem bösen Zauber belegt?«
    Methen hob die Augenbrauen und lächelte gequält. »Jeder glaubt, dass du damit sowieso schon behaftet bist«, entgegnete er. »Eine Rechet ist keine Zauberin. Und auch keine Heilerin. Sie spricht mit den Geistern der Toten und kann erkennen, ob Dämonen da sind. Das ist alles.« Er stellte den Becher wieder auf den Tisch und stand auf. »Und sie kann auch exorzieren. Die Dämonen gehorchen ihr. Du

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