Der Semmelkoenig
ob man ihr gerade einen Vorwurf gemacht habe. Erstaunt sah sie die Freundin an.
»Ja, aber warum hat er nicht? Wo steckt er denn eigentlich?«
Plötzlich schien der Vorwurf einen Sinn zu ergeben. Sie hatte Hannes schon wieder vergessen! Er war mehr als überfällig. Schnell zog sie das Handy hervor. Keine Nachricht! Sie wählte seine Nummer. Die Mailbox! Die Tür wurde aufgerissen und Hammer trampelte herein.
»Leute, der Vogel is ausgeflogen!«, ließ er mit Trompetenstimme verlauten. »Wo is der Chef? Ich muss es ihm umgehend mitteilen!«
Steffi warf noch einen kurzen Blick auf Claudias besorgtes Gesicht, dann wandte sie sich an Hammer.
»Der is noch in einem wichtigen Gespräch mit dem Bürgermeister. Du musst dich also hinten anstellen!«
»Hier!«, Schnabelhuber drückte ihm einige Papiere in die Hand. »Lies das mal durch. Wir suchen die Geburten im Zeitraum Oktober – falls es ein Frühchen war – bis Januar. Leider is wegen der Umstellung und der Zusammenlegung der Krankenhäuser alles ein bisschen durcheinander geraten. Also, du siehst schon, die haben auch die Unterlagen von den zwei anderen Kliniken, die vor Jahren geschlossen wurden und …«
»Oh Gott, ich versteh schon, was du meinst! Da sind ja alle Stationen durcheinandergeraten! Hier is ein Ambulanzbericht neben einem Nierenstein.«
Hammer blätterte schnell weiter und, obwohl es eindeutig eine Sisyphusarbeit war, schien er brennend interessiert.
»Haha, habt ihr gewusst, dass der Metzgermeister Gans Senior wegen eines Leistenbruchs da war?«
»Und? Was is daran so witzig?«, fragte Schnabelhuber trocken.
»Na, dass er den wegen chronischer Verstopfung bekommen hat! Haha, stellt euch das mal vor. Man isst zu viel von seinen schlechten Würschtel, versucht sein Bestes auf dem Klo und schwupp!«
»Ja, Hammer, das is saukomisch. Ich merke schon, dass wir dir da die richtige Beschäftigung rausgesucht haben. Also, dann lass dich nicht aufhalten und frisch ans Werk«, murmelte Schnabelhuber und vertiefte sich in seinen eigenen Stoß Akten.
»Hey und vergiss nicht: Das is alles vertraulich! Ich musste es dem Drachen von einer Krankenschwester und dem Doktor auf die Bibel schwören.«
»Schon klar, Steffi. Versteht sich ja von selbst. Von mir kein Sterbenswörtchen!«, aber gleich fing er wieder an loszuprusten.
»Das müsst ihr euch auch noch anhören. Die Aubichlerin – ihr wisst schon, die vom Aubichlerhof – also die hat im September doch glatt …«
»Hammer!«, riefen Schnabelhuber und Steffi genervt.
Verständnislos sah er auf, merkte aber, dass es ihnen ernst war und machte sich mit einem gemurmelten »Dann halt nicht!« weiter ans Lesen.
»Du, Steffi«, Claudia zupfte nachdrücklich an ihrem Ärmel. »Ich mach mir langsam wirklich Sorgen. Er geht nicht ans Handy. Wo wollte er denn hin?«
Steffi, die Claudia sehr gut verstehen konnte, gab bereitwillig Auskunft.
»Er wollte zuerst zum Wolfi …«
»Was? Zum Wolfi? Warum denn das?«
»Keine Ahnung, vielleicht hielt er ihn für verdächtig?«
»Ja, spinnt der denn? Der Wolfi doch nicht! Der tut doch keiner Fliege was zuleid!«
Empört starrte sie Steffi an, die nur etwas hilflos mit den Schultern zucken konnte.
»Was weiß ich? Er sah das wohl etwas anders.«
»Na, das wolln mer doch mal sehn!«
Ärgerlich suchte Claudia in ihrem Handy Wolfgangs Nummer, dann fiel ihr aber wieder ein, dass sie die ja gar nicht hatte.
»Verflixt! Ja, kann denn nicht einmal was richtig laufen?«
Wütend stampfte sie auf. Aber so schnell würde sie nicht klein beigeben. Schließlich war sie Polizistin und wählte daher kurzentschlossen die Nummer ihrer Tante.
»Schnabelhuber?«, Hammer winkte seinem Kollegen zu. »Was soll ich denn mit den Unterlagen von der abgebrannten Klinik am See machen?«
»Leg sie einfach hier auf den Haufen. Aber schau auch vorher nach, ob da vielleicht noch Berichte von der gynäkologischen Abteilung sind!«
»Huhu, Frauengeschichten, wie interessant.«
Genüsslich blätterte Hammer einen kleinen Stoß durch, während Claudia genervt und mit einem gemurmelten »Verflixt, die is ja auf Malle!«, auflegte, um dann gleich eine andere Person anzurufen.
»Schnabelhuber?«, Hammer hielt jetzt triumphierend ein weiteres Blatt hoch. »Ich wusste gar nicht, dass du eine Schönheits-OP hattest!«
»Ja, spinnst denn jetzt vollkommen!?«, der Angesprochene war aufgesprungen und hatte Hammer das Dokument entrissen. »Was an dem Wort ›VERTRAULICH‹ hast denn nicht
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