Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
raunte William, doch seine bang gestellte Frage ging im Tumult des Abschieds unter. Oder hatte seine Mutter sie gar mit Absicht überhört? Warum nur hatte er die Gelegenheit seines Aufenthalts nicht genutzt und sie schon eher nach seinem Vater gefragt? William schnaufte. »I ch finde schon noch heraus, wer er ist « , murmelte er, stieg auf und ritt winkend davon.
Winter 1193/’94
S eit ihrer Rückkehr aus St. Edmundsbury waren die Tage kürzer geworden. Der Winter hatte mit Raureif auf Bäumen und Büschen, morgendlichem Nebel und feuchter Kälte Einzug gehalten und hielt die Menschen in ihren Häusern und Hütten. An diesem Dezembermorgen jedoch fanden sich nicht nur William und Robert schon früh auf Oakham ein, um Walkelin de Ferrers zu verabschieden, der mit seinen beiden Knappen und dem Sarazenen aufbrechen wollte, um der Mutter seines Königs zu folgen. Eleonore von Aquitanien, so hieß es, hatte in Ipswich, Dunwich und Oxford eine stattliche Flotte zusammengestellt, die sie so hatte verstärken lassen, dass man hoffte, sie sei in der Lage, nicht nur winterlichen Stürmen, sondern auch eventuellen Angriffen durch Piraten standzuhalten, die versuchen mochten, die wertvolle Ladung an sich zu bringen. Einhunderttausend der geforderten Lösegeldsumme von einhundertfünfzigtausend Silbermark und die Geiseln sollten nun endlich gegen Richard eingetauscht werden.
Walkelin de Ferrers wollte sich mit seinen Begleitern als Teil der königlichen Eskorte einschiffen. Darum waren Nachbarn und Freunde gekommen, um ihn mit großem Jubel zu verabschieden. Aus der Menge, die aus dem Dorf zur Burg gekommen war, konnte man hier und da jedoch auch ein banges Schniefen vernehmen, denn de Ferrers war durchaus beliebt.
Und so wollte sich der Alltag auch nur schwer wieder einstellen, nachdem Walkelin de Ferrers Oakham verlassen hatte. Vorläufig würde es keine Neuigkeiten geben, und alle würden sich in Geduld üben müssen. Die Reise der königlichen Schiffe führte an Frankreichs Küste entlang und war alles andere als ungefährlich, ebenso wie der weitere Weg zu Land, bei dem das Lösegeld ebenfalls vor Überfällen geschützt werden musste. In Oakham wurden die Anstrengungen vom ersten Tag nach de Ferrers’ Abreise an verdoppelt, um so viel wie möglich zu erwirtschaften und dazu beizutragen, die restlichen fünfzigtausend Silbermark so rasch wie möglich herbeizuschaffen, damit der Lord alsbald wieder freikommen konnte.
Henry, Walkelin de Ferrers’ älterer Sohn, beschloss, erst im folgenden Frühjahr zum Festland aufzubrechen, um auf den väterlichen Gütern in der Normandie nach dem Rechten zu sehen. Er verbrachte den Winter in England damit, auf die Jagd zu gehen, und lernte dabei William und seine Falken genauer kennen und schätzen.
Im März schließlich gelangte die Kunde über Richards wiedergewonnene Freiheit nach Oakham. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Himmelsglühen, zu Mariä Lichtmess, hatte ihn der Kaiser, der ihn zuletzt gefangen gehalten hatte, nach dem Austausch von Geld und Geiseln gehen lassen. Zuvor jedoch hatte Richard ihm als sein Vasall huldigen und ihm eine Tributzahlung von fünftausend Pfund Sterling jährlich versprechen müssen.
Prinz John, der die Abwesenheit seines Bruders genutzt hatte, um so viele Burgen wie möglich in seine Gewalt zu bringen und Unruhe zu stiften, wo es nur ging, befand sich nach der Befreiung des Königs nun in einer misslichen Lage. Er hatte mit allen Mitteln Verrat geübt und versucht, die Krone an sich zu reißen. Einzig dem Widerstand vieler königstreuer Barone war es zu verdanken gewesen, dass sein Plan vereitelt worden war. Darum musste John nun, da Richard frei war, den gerechten Zorn seines königlichen Bruders fürchten und flüchtete vor ihm.
In Windeseile verbreitete sich die Kunde, dass Richard, kurz nach dem Fest des heiligen Gregor, in Sandwich gelandet und zum Grab des heiligen Thomas Becket in Canterbury geeilt war, um zu beten. Anschließend, so erfuhr man auch in Oakham, war er nach London gezogen, wo er an der Seite seiner Mutter nach St. Paul’s gegangen war. Die ganze Stadt, angeführt von FitzAilwyn, war ihm entgegengekommen und hatte ihn mit großem Jubel empfangen, obwohl er doch vor seinem Kreuzzug noch hatte verlauten lassen, um seine Kriegskassen zu füllen, würde er sogar London verkaufen, wenn er nur einen Käufer dafür fände.
Aber nicht einmal mit den prächtigen Feierlichkeiten, die die Londoner Bürger ihm zu Ehren
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