Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
Strömen regnete, blieb er notgedrungen in der Schmiede.
Als der Mai schließlich freundlicher wurde und die Sonne langsam den Morast trocknete, in dem man zuvor bis zu den Knöcheln versunken war, steigerte sich seine Ungeduld ins Unermessliche. Sie prickelte in seinem Magen wie Cidre am Gaumen. Zwar bedurfte es einer gehörigen Portion Mut, allein in die Fremde zu ziehen, aber der Gedanke, endlich Falkner zu werden, ließ ihn alle Ängste beiseiteschieben. Er hatte die vergangenen Wochen nicht ungenutzt verstreichen lassen und sich hier und da umgehört, trotzdem kannte er sich noch immer viel zu wenig in der Umgebung aus. Schließlich hatte er nicht allzu viele Fragen stellen können, um nicht Arthurs Argwohn zu wecken. Er würde eben einfach draufloslaufen und von einer Falknerei zur anderen wandern, um nach Arbeit zu fragen. Auch wenn er nicht wusste, wo er Falknereien finden würde und wovon er auf der Wanderschaft leben sollte, verdrängte er lieber den Gedanken, dass sein Unterfangen zum Scheitern verurteilt sein könnte. Es musste ihm einfach gelingen! Jeden Abend bat er den Herrn in inbrünstigen Gebeten um seine Hilfe.
Eines Tages beschloss er, sich am Pfingstsonntag, gleich nach der Messe, auf den Weg zu machen. Bis dahin blieben ihm noch zwei Tage, um sich auf seine heimliche Abreise vorzubereiten. William sammelte Proviant, den er heimlich vom Tisch abzweigte, und legte sich Zunderschwamm und Schlageisen zurecht, um ein Feuer entfachen zu können, wenn er allein in der Dunkelheit übernachten musste. Seine wenigen Habseligkeiten packte er in ein Bündel, das er zusammen mit seinem Wollumhang und dem Messer mit den schönen Wellenlinien, das seine Mutter ihm einmal geschenkt hatte, in einem hohlen Baum am Waldrand versteckte.
Am Morgen des Pfingstsonntags war William ausgesprochen nervös. Niemand durfte bemerken, dass er heimlich Abschied nahm. Jetzt, da die Entscheidung getroffen war, wog der Gedanke zu gehen erstaunlich schwer. Elfreda und Arthur würden sich um ihn sorgen, wenn er am Abend nicht zum Essen kam. Der Gedanke, die beiden enttäuschen zu müssen, obwohl sie so gut zu ihm gewesen waren, missfiel ihm. Aber wenn er sein Leben nicht als Schmied verbringen wollte, dann musste er handeln, je eher, desto besser.
Während der heiligen Messe sammelte er sich, bat den Herrn um seinen Segen und um Vergebung für seinen Ungehorsam. Kurz bevor die Messe zu Ende war, schlich er sich unbemerkt aus der Kirche. Die Sonne wärmte bereits recht ordentlich. Am Himmel, der von einem fast unwirklichen Blau war, zogen die Möwen laut kreischend ihre alltäglichen Kreise. Sie kannten keinen Sonntag und wussten nicht, dass die Fischer ihre Boote heute am Ufer lassen würden.
Eine kräftige Brise trieb den herben Geruch des Salzwassers heran, das im Ore floss. William nahm all seinen Mut zusammen. Er rannte über die Westseite der Wiese in Richtung Wald. Nach den starken Regenfällen der vergangenen Wochen und dem nun so heftigen Sonnenschein blühte es überall in kräftigen Farben. Mit strahlendem Gelb lockte der erste Hahnenfuß. Wiesenschaumkraut und Lichtnelken streckten der Sonne ihre Blüten in zartem Rosa und Blauviolett entgegen. Hummeln, Bienen und Schmetterlinge schwirrten von einer Blume zur anderen.
William lief zielstrebig durch die bunte Wiese. Einige Blumen und Gräser reichten ihm bis fast zur Hüfte, deshalb musste er sich ein wenig in Acht nehmen, damit sich keine Biene unter sein Hemd verirrte. Nur jetzt nicht umdrehen!, dachte er, während er die Wiese überquerte, aber dann warf er doch einen Blick zurück. Ein Reiter hielt in gestrecktem Galopp auf die Kirche zu. Ein Pferd ohne Reiter begleitete ihn.
William zögerte. Wer das wohl sein mochte? Schlagartig wandte er sich ab. Es spielte keine Rolle mehr. Entschlossen, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, holte er sein Bündel und seinen Umhang aus dem Versteck, dann befestigte er sowohl sein Messer als auch seinen Wasserschlauch, den er schon am Abend befüllt hatte, an seinem Gürtel.
Ob seine Mutter auf ihrer Flucht damals auch durch den Wald von Tunstall gegangen war? Sie hatte ihm nie genauer erzählt, warum sie hatte fliehen müssen und wohin sie gegangen war. Immerhin hatte sie ihr Ziel erreicht, und das würde nun auch ihm gelingen! Zuversichtlich folgte er dem schmalen Pfad in den Wald hinein.
Die Stämme der hohen Bäume waren bis weit über seinen Kopf vollkommen kahl, erst hoch oben bildeten üppige Zweige mit
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