Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman
einigen Tagen bog er Blanchpenny Stück für Stück die verkrümmten Klauen auf und betete inbrünstig, der Herr möge ihm gnädig sein und die Verletzung heilen lassen, damit er das Gerfalkenweibchen weiter abtragen konnte.
Drei Wochen, in denen er Roberts Ruhe und Beistand mehr als je zuvor vermisste, vergingen, ohne dass sich eine deutliche Besserung abzeichnete. Zwar waren ihre Klauen jetzt geöffnet, doch greifen konnte Blanchpenny mit der Hand noch immer nicht.
Als William am Morgen beim Frühstück saß und ein Stück Käse aß, überkam ihn eine Welle von Schmerz. Er biss die Zähne zusammen und schloss die Augen. Seit Tagen brannte sein Magen schon nach wenigen Bissen, als hätte er Feuer geschluckt. Er stöhnte kaum hörbar auf und schob auch das Brot von sich. Mehr würde er beim besten Willen nicht hinunterbringen. Er erhob sich und nickte Marguerite zu. Ihren besorgten Blick beachtete er nicht.
» E ntschuldige mich bitte « , murmelte er und machte sich auf den Weg zur Falknerei.
Die Sorge um Blanchpenny und das schlechte Gewissen wegen Robert waren es, die ihn krank machten. Williams Magen fühlte sich hart und schmerzhaft an, als hätte er einen Felsbrocken verschluckt. Er griff nach dem Tontöpfchen auf dem großen Eisenregal und nahm sich eine halbe Handvoll Fenchelsamen. Seit einer Weile schon kaute er immer häufiger einige davon gegen die Schmerzen und bildete sich ein, dass sie ihm zumindest ein wenig Erleichterung verschafften.
Als Blanchpenny an diesem Morgen zum ersten Mal nach ihrer Verletzung wieder auf den Handschuh übertrat, auf dem William ihr die Atzung reichte, und mit der Rechten nach dem Küken griff, waren die Magenschmerzen mit einem Schlag verschwunden.
»G ut gemacht, mein Mädchen « , lobte er die Falkendame erlöst und jubilierte innerlich. Nun konnte er endlich wieder mit ihr arbeiten! Der König war zwar auf dem Festland mit einem nicht enden wollenden Krieg beschäftigt und würde vermutlich so schnell nicht nach England zurückkehren, trotzdem konnte William es kaum erwarten, Blanchpenny so weit abgetragen zu haben, dass er sie John jederzeit überreichen konnte.
Roford Manor, Mai 1203
G ut ein Jahr war vergangen, seit William Zeuge von Roberts Schandtaten in Oakham geworden war. Immer wieder hatte Marguerite versucht, ihm Einzelheiten zu entlocken, bis es irgendwann aus ihm herausgebrochen war.
»I ch wollte, ich hätte es nie gesehen! Wer weiß, wie lange er diese Unzucht schon treibt! « , stöhnte er verzweifelt auf. »W iderwillen habe ich empfunden, aber auch Erleichterung und dafür schäme ich mich wohl am meisten. « William senkte den Blick, als Marguerite ihn fragend ansah. »O don hat angedeutet, dass William und du … « Er sah gehetzt auf. »I ch wollte es nicht glauben, aber … « Beschämt verstummte er.
Marguerite sagte nichts, um seiner Qual ein Ende zu bereiten. Sie schaute ihn nur stumm an. Enttäuschung stand in ihrem Gesicht, aber auch so etwas wie Mitleid.
»I ch finde abstoßend, was er da treibt. Es ist Sünde und verderbt. Aber damit nicht genug – Robert hat mir auch noch gestanden, dass er sich nach mir verzehrt … wie ein Mann nach einer Frau. Das ist mir unheimlich und widerwärtig. Ich kann ihn nicht mehr um mich haben, so sehr ich auch möchte. « William sank in sich zusammen. »E r fehlt mir ganz furchtbar « , murmelte er, »u nd auch das macht mir Angst. « Er hatte sich in letzter Zeit immer häufiger gefragt, wie es wohl gewesen wäre, wenn er Robert niemals ertappt hätte. Der Freund wäre zurückgekommen, ohne ihm seine Liebe zu gestehen, und sie hätten zusammen gearbeitet wie früher. Aber wäre Williams Argwohn wegen Marguerite deshalb zerstreut gewesen? Eine befriedigende Antwort darauf fand er nicht.
Er zog sich immer mehr zurück, obwohl Marguerite alles versuchte, um ihn abzulenken. Doch nicht einmal in der Kammer, wenn sie ihn zum Liebesspiel verführte, war er mit den Gedanken ganz bei ihr. Nur wenn der kleine Richard auf ihn zulief und sich juchzend in die Arme seines Vaters warf, fühlte sich William für einen Augenblick leicht und unbeschwert.
Abends, wenn er aus der Falknerei kam und ihm Roberts Lieblingshund winselnd entgegenlief, stiegen Enttäuschung und Trauer um den Verlust immer wieder aufs Neue in ihm empor. Seit Robert fort war, folgte der Hund ihm auf Schritt und Tritt, als fürchtete er, ihn auch noch zu verlieren.
Gerade dieser Hund hatte Robert zunächst viel Kummer gemacht. Er war ein
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