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Der Sohn des Verräters - 21

Der Sohn des Verräters - 21

Titel: Der Sohn des Verräters - 21 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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die Leute um sie herum besondere „Gaben“ besaßen, dass die Frau ihr gegenüber eine Telepathin und vermutlich noch mehr war. Sie hatte Margueridas Versicherungen Glauben geschenkt, dass ihre Gedanken geschützt seien.
    Als Gisela nun die Aldaran-Gabe erwähnte, kehrten alle Zweifel und Ängste zurück. Sie schluckte heft ig und zwang sich, ruhig und beiläufig zu klingen. „Ach ja, die Aldaran-Gabe. Herm hat mir ein wenig davon erzählt, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm geglaubt habe.“ Diesmal klang Giselas Lachen echt. „Doch, sie existiert tatsächlich, aber sie auszulegen ist ziemlich riskant. Und ich habe noch nie jemandem davon erzählt – ich weiß gar nicht, warum ich so offen zu dir spreche.“ Sie warf Katherine einen Blick zu, aus dem Angst, aber auch tiefes Verlangen sprachen.
    „Der einzige Mensch, der in vollem Umfang Bescheid weiß, ist wahrscheinlich Marguerida, und sie ist viel zu taktvoll, um es mir vorzuhalten. Manchmal wünschte ich, sie wäre nicht ganz so … diszipliniert. Oder ich wäre mehr wie sie und weniger wie ich selbst.“ Katherine erwiderte den Blick und versuchte, die nicht ausgesprochene Absicht hineinzulegen, eine gute Freundin zu sein, denn je mehr sie Gisela zuhörte, desto mehr stellte sie fest, wie tapfer und einsam ihre Schwägerin war. „Manchmal ist es leichter, Fremden etwas zu erzählen als Leuten, die man gut kennt.“ „Das ist genau das Problem. Es gibt keine Fremden in meinem Leben – nur Leute, die ich so gut kenne, dass ich schon weiß, was sie sagen werden, bevor sie den Mund aufmachen.
    Manchmal, wenn sich Rafael räuspert, bevor er mich zum tausendsten Mal fragt, wie es mir heute geht … da glaube ich, ich muss verrückt werden.“ „Bitte, tu das nicht.“ Gisela lachte leise und ließ die Schultern ein wenig sinken.
    „Nein, wohl eher nicht. Und wenn, dann wäre ich es schon vor Jahren geworden. Alles in allem war mein leben nicht so furchtbar, nur eben auch nicht so furchtbar zufriedenstellend. Mein Mann kümmert sich sehr gut um mich. Trotz all der hässlichen Dinge, die ich getan habe.“ „Welche Dinge?“ „Ich habe auf meinen Vater gehört, das war mein erster Fehler, und ich habe einige Dinge getan, die … undiplomatisch waren. Sie haben niemandem ernsthaft geschadet, außer dass., sie Rafael in Verlegenheit gebracht haben und man ihm meinetwegen nicht mehr ganz traut. Er ist ein stolzer Mann, und ich habe ihm in den Augen seines eigenen Bruders Schande bereitet. Es gibt Tage, da würde ich alles geben, es ungeschehen zu machen. Aber das geht nun mal nicht, und ich muss die Folgen meiner Dummheit ertragen.“ „Was für schreckliche Dinge hast du denn getan?“, fragte Katherine.
    „Ich habe vorgeschlagen, dass nicht Mikhail Regis’ Erbe werden sollte, wegen seiner Reisen in die Vergangenheit und seiner Heirat mit Marguerida, sondern Rafael an seiner Stelle.
    Und das habe ich jedem erzählt, der es hören wollte.“ Der Schmerz in ihrer Stimme war nicht zu verkennen. „Und das Schlimmste dabei ist, dass mich Rafael nie dafür geschimpft hat, mich nie um Verzeihung dafür bitten ließ, dass ich eine dumme, unreife und intrigante Hexe bin. Fünfzehn Jahre lang hat er immer nur versucht, mich glücklich zu machen, mir dabei zu helfen, mit meinem Platz im Leben zufrieden zu sein, so wie er es mit seinem ist.“ „Hmm … das war beinahe schon mehr als nur undiplomatisch, Gisela.“ Sie spie ein bitteres Lachen zwischen blutleeren Lippen hervor. „Ich weiß – es grenzte durchaus an Hochverrat, nur dass mich niemand sonderlich ernst nahm. Ich bringe nie etwas zu Ende. Und als ich begriff, wie sehr es Rafael verletzte, hörte ich auf damit und versuchte, mich anständig zu benehmen. Ich habe Schach gelernt und so getan, als wären die Figuren die Bewohner von Burg Comyn, bis es mir langweilig wurde, dann fing ich an, eine Schrift über Schach zu verfassen, um meine freien Stunden zu füllen, und habe mich durch sämtliche Archive gelesen, Ich bin wahrscheinlich die belesenste Frau auf dem ganzen Planeten.“ Sie lächelte schwach.
    „Selbst Marguerida fragt mich manchmal nach alten Büchern, was mich glücklich machen müsste, aber es gibt nichts, was mich richtig glücklich macht.“ „Aber hast du denn nie etwas gefunden, das du wirklich gern getan hast?“ Die Worte waren gesprochen, bevor Kate sie zurückhalten konnte. Die Qual in Giselas Stimme und ihr Schmerz erschienen Katherine beinahe unerträglich.
    „Nein.“

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