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Der Tod des Bunny Munro

Der Tod des Bunny Munro

Titel: Der Tod des Bunny Munro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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»Noch ein Wort über meinen Dad, Poodle, und ich mach Hackfleisch aus dir.«
    Poodles Kopf ist über die Seitenlehne des Sofas gekippt, wobei der Wikingerhelm wunderbarerweise an seiner gelben Frisur klebt, er hört es nicht. Seine Augen sind in die Höhlen zurückgerollt, und seine Lider flattern komisch.
    »Miserables Koks«, murmelt er.
    River sagt nochmal: »Du Armer«, und macht die Sache mit dem linken Knie, und wieder schaut Bunny ihr zu und wieder schweifen seine Gedanken ab.
    Er denkt daran, wie Libby auf der Entbindungsstation des Royal-Sussex-Krankenhauses im Bett lag, in den Armen das Neugeborene. Er erinnert sich, wie sie auf das Kind runtersah und das kleine Bündel mit all der Liebe ihres Herzens an die Brust drückte. Sie hob den Kopf und sah ihn fragend an. Er spürte, wie ihm ein einziger kalter Schweißtropfen seitlich das Gesicht runterlief und von seinem Kragen aufgesogen wurde. In diesem Moment begriff er, dass sich alles verändert hatte. Nichts würde je wieder so sein wie zuvor. Er starrte auf das kleine Wesen in den Armen seiner Frau und wusste nicht, was er zu ihr sagen sollte, außer vielleicht ›Lebwohl‹. Da war einfach zu viel Liebe. Er spürte, dass das Baby still und leise den Knopf eines Schleudersitzes gedrückt hatte, der ihn unbemannt in die Außenbereiche seiner Ehe katapultiert hatte. Natürlich sagte er nicht Lebwohl, sondern: »Oh Mann, Süße, ich glaub, ich brauch eine Zigarette«, und dann rang er sich so was wie ein Lächeln ab und schlüpfte zur Tür der Entbindungsstation des Royal-Sussex-Krankenhauses hinaus.
    Bunny beugt sich ruckartig vor, schlägt auf den Tisch und schüttelt den Kopf, um diese Erinnerung zu vertreiben.
    »Ich hab noch einen!«, sagt er, von einem unerklärlichen Enthusiasmus gepackt.
    Raymond öffnet plötzlich die Augen und lächelt stumpfsinnig, Barbara kichert, und River schiebt ihr Dekolleté vor. Geoffrey, der allein in Bunnys Sessel eingeklemmt sitzt, als hätte er schon sein ganzes Leben dort verbracht, reibt sich die Hände (er ist ganz verrückt nach Witzen) und sagt: »Okay, dann schieß mal los!« Seine Schweinsäuglein funkeln erwartungsvoll.
    Bunny sagt: »Entschuldigt bitte, Ladys, falls das jetzt ein bisschen …«
    »Anzüglich wird«, ergänzt Geoffrey und gluckst leise.
    »Ja, genau … anzüglich«, wiederholt Bunny, lässt sein Zippo aufschnappen und zündet sich eine Zigarette an.
    »Also …«, beginnt Bunny und erzählt den Witz über einen dicken schwarzen Typen und einen dünnen weißen Typen, die im Gefängnis sitzen. Der dicke schwarze Typ sagt zum dünnen weißen Typen: »Was willst du heute Abend sein? Mummy oder Daddy?« Und der dünne weiße Typ sagt: »Äh, ich glaube, ich möchte Daddy sein.« Darauf sagt der dicke schwarze Typ: »Okay, dann komm her und lutsche Mummys Schwanz.«
    Alles prustet los, Barbara und Raymond umklammern einander vor Lachen, Geoffrey gluckst in sein Taschentuch und sieht Bunny mit einem Ausdruck an, der auf so was wie väterlichen Stolz hinausläuft, und Rivers Bein schwingt so heftig und schnell hin und her, dass es aussieht, als versuchte sie, mit ihrem kanariengelben Slip irgendeinen superdringenden Winkspruch auszusenden. Sogar Poodle macht eine Geste, die als ›Daumen hoch‹ interpretiert werden kann. Bunny ist wieder ganz der Alte!
    »Das ist mein Dad!«, sagt ein dünnes Stimmchen, und das Lachen verstummt.
    Bunny Junior steht im Schlafanzug und seinen viel zu großen Hausschuhen in der Tür. Unter seinen rot geränderten Augen zeichnen sich kleine blaue Schatten ab.
    »Okay, Bunny Boy, jetzt wieder ab ins Bett«, sagt sein Vater.
    »Der war echt gut, Dad!«, sagt Bunny Junior und hüpft auf der Stelle.
    River, deren Haar sich gelöst hat und ihr jetzt über ein Auge fällt, streicht sich den Rock glatt, steht wackelig auf und stößt dabei gegen den Couchtisch, und Flaschen und Dosen fallen scheppernd zu Boden.
    »Ups. Tschuldigung«, murmelt sie, und Bunny sieht die Konturen ihres langen, straffen Schenkels und einen schmalen Streifen brauner Haut zwischen ihrem Rockbund und der Bluse. Sie dreht sich um, beugt sich vor und offenbart ihm die goldenen Bögen ihres Stringtangas, die unverdeckt zwischen ihren Hinterbacken aufsteigen wie das McDonald’s-Logo.
    »Sie hat die Dosen runtergeschmissen, Dad!«, ruft der Kleine und zeigt auf River.
    Bunny versucht aufzustehen, aber er schafft es nicht und plumpst wieder aufs Sofa.
    »Und Poodle hat meinen Wikingerhelm auf!«
    River bahnt

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