Der Tote vom Strand - Roman
philosophierte sie seufzend. Sie schaltete das Radio ein, um sich nicht ablenken zu lassen, und nahm sich noch mehr Kaffee. Danach las sie alles, was sie geschrieben hatte, und konnte nur feststellen, dass das Problem weiterhin vorhanden war.
Was war mit Mikaela Lijphart passiert? Und was mit ihrem Vater? Und der Tote vom Strand: Hatte er überhaupt etwas mit der ganzen Sache zu tun?
Morgen Abend kann ich mit Vera Sauger sprechen, dachte Moreno. Und dann komme ich weiter.
Aber wenn Mikaela sie nun nie besucht hat, überlegte sie dann. Was würde das bedeuten? Und was mache ich dann?
Und wie sollte sie den ganzen kommenden Tag füllen? Mit Sonne und Schwimmen?
Bei dem Regen? Der wirklich heftig war. Den armen Vegesack dürfte sie auf keinen Fall weiter behelligen, das war klar. Vor allem, wo sie selber trotz aller Anstrengung nichts liefern konnte ... es musste wirklich Grenzen geben. Andererseits konnte sie sich aber auch fragen, was zum Teufel die Polizei eigentlich den ganzen Tag machte.
Was also tun? Vielleicht ein wenig in der Vergangenheit herumstochern? Ins Jahr 1983 zurückkehren?
Aber wenn ja, wie? Wo graben? Wen fragen?
Plötzlich wurde sie von tiefer Müdigkeit erfasst, kippte aber noch eine halbe Tasse Kaffee hinunter und konnte sich damit wach halten. Na, dachte sie. An wen? An wen soll ich mich halten? Alle, die damals mit der Sache zu tun hatten, verfügten natürlich über einen gewissen Informationsschatz, ob der nun groß oder klein sein mochte, aber es wäre natürlich nicht schlecht, ein wenig konzentrierter vorzugehen.
Schon bald hatte sie eine Alternative gefunden, die ihr durchaus möglich erschien.
Die Presse natürlich. Die lokale Tageszeitung. Das Westerblatt. Sie kannte den Namen und die Adresse der Redaktion, da sie auf dem Weg zum Strand etliche Male daran vorbeigekommen war.
Zufrieden mit diesem Ergebnis schüttete sie den Rest Kaffee ins Waschbecken und ging ins Bett. Es war Viertel nach zwölf, und ihr fiel auf, dass Mikael Bau an diesem Abend kein einziges Mal versucht hatte, sich bei ihr zu melden.
Sehr gut, dachte sie und knipste das Licht aus. Aber sie spürte, dass dies nur die halbe Wahrheit war.
30
21. Juli 1999
Die Westerblatt-Lokalredaktion in Lejnice bestand aus zwei schmalen, ineinander übergehenden Zimmern in der Zeestraat. Der hintere Raum bildete den eigentlichen Arbeitsplatz, zwei Drittel der Bodenfläche wurden von zwei großen Schreibtischen eingenommen, die einander gegenüber standen und mit Computern, Faxen, Telefonen, Kaffeemaschinen und wildwuchernden Haufen von Papieren, Kugelschreibern, Notizbüchern und jeder Art von journalistischem Treibgut voll belegt waren. Wacklige Bücherregale mit Ordnern, Büchern und alten Zeitungen bedeckten die Wände vom Boden bis zur Decke, und über allem hing ein amerikanischer Ventilator, der bereits im Sommer 1977 seinen Geist aufgegeben hatte.
Das vordere Zimmer schaute auf die Straße und verfügte über einen Tresen, auf dem gewöhnliche und ehrsame Mitbürger Anzeigentexte hinterlassen, ihr Abonnement bezahlen und sich über Zeitungsartikel beklagen konnten, mit denen sie nicht einverstanden waren.
Oder die nicht abgedruckt worden waren.
Als Ewa Moreno den Nieselregen der Zeestraat verließ, zeigte die Uhr zwanzig nach zehn Uhr morgens. Eine dunkelhaarige Frau in ihrem Alter und mit energischer Miene stand hinter dem Tresen und schimpfte in den Telefonhörer, den sie sich zwischen Wange und Schulter geklemmt hatte, während sie zugleich Notizen auf einem Block machte und in einer Zeitung blätterte.
Nicht schlecht, dachte Moreno. Die Frau nickte ihr zu, und sie setzte sich auf einen der beiden roten Plastikstühle und hoffte, dass zumindest dieses Telefongespräch bald ein Ende nehmen würde. Das tat es dann auch nach ungefähr einer halben Minute, und die lockeren Abschiedsphrasen verrieten Moreno, dass es der Frau nicht allzu viel ausmachte, dass jemand mithörte, den sie nicht kannte.
»Verdammter Arsch«, erklärte sie, als sie den Hörer auf die Gabel gelegt hatte. »Verzeihen Sie das Fremdwort. Und wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
Moreno wusste noch nicht so recht, welche Taktik sie anwenden sollte, aber etwas an dem klaren Blick der Frau und an ihrer scharfen Zunge ließ es ihr als sinnvoller erscheinen, hier mit offenen Karten zu spielen. Es fiel ihr außerdem schwer, eine Person anzulügen, die das gleiche Alter und Geschlecht wie sie hatte, dieses Phänomen war ihr schon früher
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