Der Vampir der mich liebte
anstrengend. Meine Fingerknöchel traten hervor, so fest hatte ich die Hände zu Fäusten geballt.
»Wir rufen dich an, wenn auf diesem Treffen noch irgendwelche Entscheidungen gefällt werden«, sagte Gerald. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass er mich verabschiedete und ich Eric nach Hause bringen sollte, ehe der ein weiteres Mal ausrastete. Seiner Miene zufolge würde das nicht mehr lange dauern. Seine blauen Augen glühten und seine Fangzähne waren zumindest halb entblößt. Mehr denn je war ich versucht... nein, war ich nicht . Ich würde gehen.
»Tschüs, Miststück«, sagte Debbie, als ich hinausging. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Alcide sich entsetzt zu ihr umdrehte. Aber Pam packte mich am Arm und bugsierte mich hinaus auf den Parkplatz. Gerald hielt Eric fest, was auch nötig war.
Als die beiden Vampire uns an Chow übergaben, schäumte ich innerlich vor Wut.
Chow drängte Eric auf den Beifahrersitz, anscheinend war also ich als Fahrer auserkoren. »Wir rufen dich später an, fahr jetzt«, sagte Chow, und ich hätte ihn beinahe angeschnauzt.
Nach einem kurzen Blick auf meinen Beifahrer beschloss ich jedoch, lieber vernünftig zu sein und schnellstens zu verschwinden. Erics Angriffslust löste sich langsam in ein Gewirr von Gefühlen auf. Er wirkte durcheinander und verloren und war plötzlich das ganze Gegenteil des gefährlichen Rächers von eben.
Wir waren schon fast zu Hause, ehe Eric irgendetwas sagte. »Warum hassen Werwölfe die Vampire so sehr?«, fragte er.
»Keine Ahnung«, antwortete ich und bremste ab, weil zwei Hirsche über die Straße sprangen. Immer bremsen, sobald ihr einen seht: Meistens folgt ein zweiter. »Vampire lehnen Werwölfe und Gestaltwandler genauso heftig ab. Die übernatürlichen Geschöpfe scheinen zwar alle gegen die Menschen zusammenzuhalten, aber ansonsten gibt's ziemlich viel Zank und Streit unter euch Supras - soweit ich weiß jedenfalls.« Ich holte tief Luft und überlegte, wie ich das Folgende am besten formulierte. »Äh, Eric, dass du mich gleich verteidigt hast, als diese Amanda mich beleidigte, ist ja sehr nett. Aber ich bin's eigentlich gewöhnt, für mich selbst einzustehen, wenn's drauf ankommt. Wenn ich eine Vampirin wäre, würdest du sicher nicht so schnell meinetwegen auf die Leute losgehen, stimmt's?«
»Du bist nicht so stark wie ein Vampir, nicht mal so stark wie ein Werwolf«, hielt Eric dagegen.
»Keine Frage. Aber ich hätte nicht mal dran gedacht, auf sie loszugehen, schon um ihr keinen Grund für einen Gegenschlag zu liefern.«
»Das soll wohl heißen, ich hätte mich zurückhalten sollen.«
»Genau das meine ich.«
»Ich habe dich in Verlegenheit gebracht.«
»Nein«, sagte ich prompt. Und fragte mich dann, ob nicht genau das der Fall gewesen war. »Nein«, wiederholte ich mit mehr Überzeugung, »du hast mich nicht in Verlegenheit gebracht. Es hat mir sogar sehr gut getan, dass du mich, äh, gern genug hast und wütend geworden bist, als diese Amanda mich behandelte wie ein Stück Dreck. Aber an so was bin ich gewöhnt, und ich kann damit umgehen. Nur das mit Debbie ist noch einmal eine ganz andere Kategorie.«
Der neue, nachdenkliche Eric ließ sich das eine Weile durch den Kopf gehen.
»Warum bist du an so was gewöhnt?«
Das war nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte. Inzwischen waren wir bei mir zu Hause angekommen, und ich musterte die ganze Lichtung, ehe ich aus dem Auto ausstieg und die Hintertür aufschloss. Als wir schließlich sicher im Haus angelangt waren und den Riegel vorgeschoben hatten, sagte ich: »Weil ich's gewöhnt bin, dass die Leute nicht viel von Kellnerinnen halten... von ungebildeten Kellnerinnen... von ungebildeten Kellnerinnen, die Gedanken lesen können. Ich bin's gewöhnt, dass die Leute mich für verrückt halten oder zumindest für irgendwie seltsam. Ich will mich nicht als die arme bedauernswerte gute Seele hinstellen, doch einen großen Fanclub habe ich nicht gerade. Ich bin aber dran gewöhnt.«
»Das bestätigt nur die schlechte Meinung, die ich von den Menschen generell habe«, erwiderte Eric. Er zog mir den Mantel aus, sah ihn missbilligend an und hängte ihn über die Lehne eines der Stühle, die unter den Küchentisch geschoben waren. »Du bist wunderschön.«
Noch nie hatte mich jemand direkt angesehen und so etwas gesagt. Ich musste einfach die Augen niederschlagen.
»Du bist klug, und du bist loyal«, fuhr er unaufhaltsam fort, obwohl ich abwinkte, um ihn zum Schweigen
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