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Der verbotene Kuss

Der verbotene Kuss

Titel: Der verbotene Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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jetzt haben sie uns gefunden?«
    »Die Druj können viele Gestalten annehmen, aber die Jäger sind immer Wölfe. Und ihre Augen … ihre Augen sind immer blau. Hellblau. Sehr hellblau – wie deins.«
    Betäubt von dem, was sie da hörte, ließ Esmé die Hand von ihrem Auge sinken. Mab krümmte sich zusammen, als sie es bemerkte. »Druj daevas!«, zischte sie. »Bedecke es, Esmé! Ich kann diesen Anblick nicht ertragen! Es sieht wie das Auge von ihr aus!«
    »Von wem?«
    »Das spielt keine Rolle. Wir müssen hier verschwinden! Aber zuallererst musst du mir eine Schere holen.«
    »Wozu?«, fragte Esmé mit bebender Stimme und drückte sich eine Hand schützend auf ihr Auge.
    »Hol sie mir einfach, Schatz.«
    Zitternd tat Esmé, was man ihr aufgetragen hatte.
    Zehn Minuten später stiegen sie die Feuertreppe nach unten und ließen ihre nette kleine Welt hinter sich. Esmé hatte eine Augenklappe umgebunden, die sie eilig aus einem samtenen Bettlaken geschnitten hatten, und jede der beiden trug ihren Geigenkasten, gepackt mit dem Notwendigsten – mit Nachthemden, Pässen und dem Salzstreuer voller Diamanten. Alles andere ließen sie zurück, die Märchenbücher und die Kleider und die Violinen, und an dem großen Kronleuchter baumelten ihre sehr langen, sehr roten Zöpfe. Als sie die Straße überquerten, sahen sie aus wie Musikerinnen, die zur Probe eilten und die Geigenkästen schlenkern ließen.
    Esmé fasste sich an den Kopf. Sie fühlte sich ohne ihr Haar so leicht, als könnte sie einfach in den Himmel aufsteigen, aber Mab packte sie an der Hand und hielt sie fest. Esmé wusste, ihre Mutter würde sie niemals davonschweben lassen.

– ZWEI –
Reißzähne und Liebe
    D as Heulen der Jäger war mit der Dämmerung verstummt, und Mihai nahm es mit der Überwachung von Esmés Fenster nicht mehr so genau. Er war steif, weil er die ganze Nacht auf dem Kirchturm gehockt hatte. Eine solche Aufgabe erledigte man eigentlich besser als Krähe, doch er wechselte seine Gestalt nicht mehr – nicht einmal zum Wolf, wie sehr sein Körper auch danach verlangte. Er lebte jeden Moment in menschlichem Cithra, das heißt, in der menschlichen Hülle seiner Selbst, ob es nun behaglich war oder nicht. Das war jetzt sein Körper. Die Gestalt hatte ihre Grenzen, aber auch ihre Vorteile. Bestimmt würden ihm die Wölfe aus Tajbel, die nun zu jenem dunklen Ort liefen, an dem sie die Stunden des Tageslichts hinter sich brachten, in dieser Hinsicht zustimmen.
    Grimmig lächelte er. Heute Nacht hatten sie ihn gewittert und waren bellend um die Kirche gelaufen, aber sie konnten nicht an den Wänden hochklettern und ihn schnappen, nicht so, wie sie waren. Und überhaupt kamen sie nicht seinetwegen, sondern wegen Esmé. Trotzdem würden sie ihm sicherlich zu gern den Kopf abreißen für das, was er ihnen vor vierzehn Jahren angetan hatte. Das Druj-Gesetz, das verbot, Angehörige der eigenen Art zu töten, galt nicht in der Verbannung, und auf Verräter bezog es sich gewiss nicht.
    Er sah, wie Esmés kleine Gestalt an dem Fenster vorbeihuschte, und er dachte daran, über die Straße zu ihrer Feuertreppe zu gleiten, zögerte jedoch. So viele Jahre waren vergangen, und nun war es endlich so weit. Er hatte tatsächlich Schmetterlinge im Bauch! Er hätte über sich lachen mögen – ein Druj-Jäger, der nervös war, und zwar nicht, weil ihn die Wölfe endlich gefunden hatten, sondern wegen dieses kleinen Mädchens!
    Vor Einbruch der Nacht musste er sie fortbringen, ehe die Wölfe zurückkehrten. Inzwischen war heller Tag. Er hatte Zeit. Zunächst beschloss er, eine Tasse Tee trinken zu gehen und damit seine Nerven zu beruhigen.
    Da er glaubte, dass der Kirchhof verlassen war, kletterte er kopfüber wie eine Eidechse hinunter, doch einige Nonnen kamen gerade aus einem Bogengang heraus und erstarrten bei seinem Anblick. Sie bekreuzigten sich und wichen voller Panik zurück – alle, außer einer. Diese Alte mit stahlharten Augen marschierte geradewegs auf ihn zu, als er auf den Boden sprang. »Druj-Teufel!«, schimpfte sie. »Verlasse diesen heiligen Ort!« Und sie holte eine Prise Asche aus einem Beutelchen und schleuderte sie ihm ins Gesicht.
    Mihai hustete und war überrascht, auf eine Stadtnonne zu treffen, die gegen einen Druj gewappnet war. Die urbanen Menschen erkannten seinesgleichen so gut wie nie und wussten nicht, wie sie sich schützen sollten. Offensichtlich stammte sie aus den Bergen, dachte er, weit aus dem Süden oder dem Osten, wo das

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