Der Verrat
in gewisserWeise einander ähnlich, obwohl sie sich nicht im Geringsten ähnlich sahen. Das Gras zwischen ihnen undAlan war blutbespritzt.
»Kann ich sonst noch etwas tun?«, fragteAlan.
»Du hast genug getan«, antwortete Merris.
Sie fuhren von Cornwall zurück, als die Sonne langsam an einem wolkenblassen Morgenhimmel aufging und die StraÃen grau und leer vor ihnen lagen. Mae war so müde, dass sie mit dem Kopf an der Fensterscheibe immer wieder einnickte und sich fragte, wieAlan es schaffte, zu fahren.
Zwischen diesen Nickerchen versuchte sie, wach zu bleiben, umAlan Gesellschaft zu leisten. Doch um richtig taktvoll zu sein, war sie zu müde.
»Wie kommt es, dass du und Sin einander hasst?«, wollte sie wissen, alsAlan an derAusfahrtAlphington nach links abbog.
Alan lachte leise und erschrocken. Seine Hände lagen locker auf dem Lenkrad, und er sah nicht müde aus, doch die Linien um seineAugenwinkel waren tiefer als sie sein sollten. »Wir hassen uns nicht.Wir sind nur zu verschieden.Wäre der Jahrmarkt der Kobolde eine der amerikanischen Highschools, die man im Fernsehen immer sieht, dann wäre sie dieAnführerin der Cheerleader und ich der Kapitän des Schachclubs.«
»Du spielst gut Schach, oder?«, fragte Mae.
»Ich bin nicht schlecht«, erwiderteAlan. »Spielst du auch?«
»Oh, hin und wieder.«
»Dann sollten wir bei Gelegenheit einmal spielen.«Alans Stimme klang so sanft, dass Mae das dumpfe Gefühl hatte, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft eine Niederlage im Schach würde hinnehmen müssen â etwas, was ihr nicht mehr passiert war, seit sie acht Jahre alt war.
»Das sollten wir tun«, stimmte sie zu. »Aber mir schien das ein wenig schlimmer zu sein als die Rivalitäten zwischen dem Schachclub und den Cheerleadern.«
»Na ja«, sagteAlan, »Tänzer mögen es nicht, wenn Menschen auch nur stolpern. Und was noch schlimmer ist: Ich habe gesehen wie Stella â Sins Mutter â gefallen ist. Ich habe eine MengeTänzer fallen sehen. Ich weiÃ, warum Sin so auf mich reagiert. Sie kann es nicht ändern. Und ich kann es auch nicht ändern.Wenn ein Mädchen jedes Mal schaudert, wenn ich an ihr vorbeigehe, dann nimmt mich das nicht besonders für sie ein.«Alan zuckte mit denAchseln und blickte geradeaus auf die StraÃe. »Manchen Menschen ist es einfach bestimmt, nicht miteinander auszukommen. Ich hasse sie nicht. Ich mag sie nur einfach nicht. Das ist keine groÃe Sache.«
»Ich glaube nicht, dass Sin das oft passiert«, bemerkte Mae.
»Was?«
»Das ein Junge sie nicht mag. Sie ist irgendwie erstaunlich. Und wunderschön.«
Sie hatte fast abwesend gesprochen und hielt die Stirn an das Glas gepresst, um nicht wieder einzuschlafen.Auf den Feldern zu beiden Seiten der StraÃe schwebte der Morgennebel so dicht und weiÃ, dass es aussah, als würden sie von beiden Seiten von mutierenden Schafen bedrängt.
Vielleicht war sie auch einfach nur übermüdet.
»Du bist genauso schön wie sie«, behaupteteAlan. Es war eine glatte Lüge, wie so vieles, wasAlan sagte. Und wie so vieles, was er sagte, klang es wahr. »Und du liest«, fügte er hinzu.
»Wow. Heië, entgegnete Mae.
»Na ja«, sagteAlan leicht errötend. »Für mich schon.«
Sie war nicht die Einzige imWagen, die nervös war. Seine Schultern zeigten eine leicht abwehrende Haltung, als befürchte er, dass er durch das Eingeständnis einer ehrlichen Gefühlsregung â und sei es nur die einfacheTatsache, dass er Mädchen mochte, die lasen â unweigerlich verletzt werden würde.
Mae musste an Nick denken, der offensichtlich hatte flüchten wollen, alsAlan ihm gesagt hatte, was er fühlte. Sie verstand, warumAlan sich wohler fühlte, wenn er log.
Sie entschloss sich, dem Gespräch den Zündstoff zu nehmen, da sie die nächste Dreiviertelstunde zusammen in diesemWagen verbringen mussten. Sie hatte keine Lust, hinauszuspringen und sich den mutierenden Schafen stellen zu müssen, wenn die Dinge unangenehm wurden.
»Ich wäre lieber erstaunlich als schön.«
»Ich glaube, das bist du«, begannAlan und auf seinenWangen breitete sich eine warme Röte aus. Mae war überrascht und gleichzeitig ein wenig traurig, dass er sich ihr gegenüber so anders verhielt als Liannan gegenüber.
Sie fragte sich, ob das daran lag,
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