Der Weg nach Kaarborg: Ragnor Band 2 (German Edition)
berühren?"
"Das kann ich dir gar nicht genau sagen", antwortete Ragnor mit leiser Stimme. "Es war wie ein innerer Zwang. Ich musste es einfach tun und ich war mir in diesem Moment absolut sicher, dass es notwendig war. Doch nun ist er tot, und ich weiß nicht mehr, ob es wirklich richtig war.""Du brauchst dir ganz bestimmt keine Vorwürfe zu machen", tröstete ihn sein alter Mentor. "Wenn es das war, was ich vermute, dann war er schon tot, bevor sein Körper starb, und du hast im höchstens seine Seele gerettet, indem du die dämonische Kraft vertrieben hast, die in ihm war.""Du glaubst tatsächlich, dass er von einem Dämon besessen war, wie in den alten Märchen erzählt wird?", fragte der Junge entsetzt, dem erst jetzt die mögliche Dimension seines Erlebnisses und die Bedeutung der Fratze, welche er gesehen hatte, aufging.
"Ja, ich fürchte, er war es. Deshalb haben die Brandstifter auch so emotionslos bis zum Tod gekämpft", antwortete Lars mit fester Stimme. "Aber ich denke, du solltest noch ein wenig schlafen, bevor wir morgen Burg Kaarborg erreichen. Du hast anstrengende Wochen vor dir."
Ragnor nickte zustimmend, denn er spürte, als der Alte vom Schlafen sprach, plötzlich eine bleierne Müdigkeit in seinen Knochen. Er zog sich rasch aus und legte sich ins Bett, konnte aber erst einmal nicht einschlafen, denn die Begegnung mit der Fratze des Dämons ließ ihn nicht los. Erst als er seinen Dolch Quart, der am Bettpfosten hing, mit der Hand berührte, und der Quasar seine beruhigenden Impulse auf ihn ausstrahlte, konnte er endlich einschlafen.
Der alte Lars stand, nachdem er Ragnors Zimmer verlassen hatte, noch einen Moment auf dem Flur und dachte über die Konsequenzen des heutigen Abends nach. Für ihn waren die Erkenntnisse über die offensichtlich dämonisierten Brandstifter gar nicht das wesentliche Erlebnis dieses ereignisreichen Abends, sondern die besonnenen Handlungen und das entschlossene Verhalten seines Schützlings. Es war dieses unbegreifliche, intuitive Tun von Dingen, von denen er gar nichts wissen konnte, und die auch Lars, trotz seines weit über dem Durchschnitt liegenden Wissens unerklärlich waren, das den Alten beschäftigte. Er gestand sich ein, dass er nicht in der Lage war, das geistige Potenzial seines Schützlings auch nur ansatzweise zu begreifen, geschweige denn einzuschätzen. In zwei Jahren vom Kind zum erstaunlich reifen Erwachsenen war schon eine erstaunliche Entwicklung, schließlich wurde Ragnor am Ende dieses Sommers erst sechzehn Jahre alt. Wieder einmal keimte in Lars der Verdacht auf, dass Ragnor nicht von dieser Welt sein könnte, dass das Baby, das sie vor fast sechzehn Jahren gefunden und dann aufgezogen hatten, vielleicht von sehr, sehr weit her gekommen war.
Kapitel 8
Als sie am nächsten Tag die kleine Ortschaft verließen, warf Ragnor noch einmal einen letzten Blick auf die nur noch leicht rauchenden Reste des Lagerhauses. Er hatte den ganzen Morgen bis zu ihrem Aufbruch darüber nachgedacht, was er von seinen Erlebnissen in der letzten Nacht zu halten hatte: Sein Ring besaß offensichtlich die Fähigkeit dämonisierte Menschen zu orten, wenn sie in der Nähe waren und er war überdies in der Lage, Dämonen aus dem Körper ihrer Wirte zu vertreiben. Er war sich ziemlich sicher, dass der Dämon nicht tot war, denn der Schrei in seinem Kopf war ein Schrei ohnmächtiger Wut und kein Todesschrei gewesen.
Am späten Nachmittag erreichten sie dann endlich den Kaarsee, das Ziel ihrer langen Reise. Sie sahen vor sich die Insel Kaar auf der sich Burg Kaarborg befand."Das ist also meine neue Heimat", dachte Ragnor, als sie die Uferstraße entlang zur hölzernen Brücke zogen, welche die Insel mit dem Festland verband. Fast liebevoll strichen seine Augen über die Mauern und Türme von Rurigs Residenz, und er freute sich, dass er sein großes Vorbild bald wiedersehen würde.
Die Sonne stand schon tief, als sie in den unteren Burghof einfuhren. Sie hatten recht lange gebraucht, um bis in die Kernburg vorzudringen. Die Warteschlangen an den äußeren Toren waren lang gewesen und die Kontrollen scharf. Man hatte an den Gesichtern der Wachsoldaten ablesen können, dass man sich nicht in normalen Friedenszeiten befand, sondern an der Schwelle eines neuen Krieges stand.
Ihre beiden Wagen waren allerdings nicht kontrolliert worden, denn als Menno Rurigs Ring an den Toren vorwies, waren sie ehrerbietig gegrüßt und ohne Kontrolle durchgewinkt worden. Trotzdem war es
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