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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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in zwei Hälften sägte. Es folgte eine Schlangenfrau, welche das Mannsvolk durch ihre grazilen und unmenschlich wendigen Bewegungen regelrecht in Ekstase versetzte, und dann formierte sich eine Gruppe von Musikanten, die mit Flöten, Trommeln und Geigen eine treffliche Tanzmusik aufzuspielen verstand.
    An diesem Teil des Abends fand Anna besonderes Vergnügen. Sie liebte Musik, und sie liebte es eigentlich auch zu tanzen, doch musste sie heute sämtliche Aufforderungen der anwesenden Herren ausschlagen, schmerzte doch ihre Schulter noch allzu sehr und war nach wie vor mit einem sperrigen Holz geschient.
    Der Spaß, den Anna beim Anblick der tanzenden Trunkenbolde hatte, die wild ihre Beine in die Lüfte schwangen, hatte ein Ende, sobald wieder zwei äußerst anmutige Zigeunermädchen auftraten. Sofort setzten sich alle Tänzer auf ihre Hocker und Bänke, um die Schönen mit offenen Mündern zu begaffen.
    Und dann begannen die jungen Frauen ihren Tanz, der weitaus anmutiger war als das, was zuvor noch die polternde Räuberbande aufs Parkett gelegt hatte. Mit offenem schwarzen Haar, bunte Tücher um die zarten Körper geschlungen, bewegten sie sich nach Annas Geschmack allzu aufreizend und beachteten dabei anscheinend gar nicht, dass sich die Tücher immer weiter lösten und nackte Haut freilegten. Anna war empört und fasziniert zugleich.
    Im ganzen Raum war es mucksmäuschenstill bis auf die leichten Klänge, die den wunderbaren Reigen begleiteten – kein lautes Gegröle, kein wildes Aneinanderstoßen von Bierkrügen, kein derbes Zutrinken, keine schmutzigen Bemerkungen, nur andächtiges Staunen. Ein anerkennendes Murren war zu hören, als mit einem Mal die Tücher voll und ganz zu Boden fielen und die Mädchen doch tatsächlich bis auf ein kleines Leibchen um die Hüften splitternackt umhersprangen.
    Als dann die Musik jedoch wilder wurde und die zwei Grazien begannen, auf die Tische zu steigen und sich vor den Männern zu räkeln, da wurde es mit einem Mal doch wieder lauter. Solch eine Veranstaltung war der guten Anna vollkommen fremd, und sie wollte auch nicht weiter daran teilnehmen. Als nämlich noch die Schlangenfrau und die alte Dicke hinzukamen und der spaß, den das Mannsvolk an den rassigen Schönheiten hatte, langsam Formen annahm, deren Zeugin Anna nicht sein wollte, zog sie es vor, ihre Kammer aufzusuchen. Dem jungen Balthasar befahl sie Gleiches. Zwar weigerte er sich zunächst, doch stiefelte er dann brav hinter ihr her, nur um sich eine halbe Stunde später wieder heimlich nach unten zu stehlen, wo er zusammen mit Hans Mergel noch bis tief in die Nacht dem Spektakel zuschaute.
    So ging es Abend für Abend. Nach den Zigeunern, die nur zwei Wochen blieben, trat ein Künstler aus den spanischen Niederlanden auf, der wunderbar Stimmen, Tiere und andere alltägliche Geräusche imitieren konnte. Ihm folgte ein jüdisches Pärchen, welches zu zweit die witzigsten Komödien aufführte, indem die beiden es verstanden, an einem Abend in mehr als zehn verschiedene Rollen zu schlüpfen. Dann kam eine Zeitlang niemand, und man musste sich allein mit dem Alkohol behelfen und mit den Erzählungen des alten Mergel, die ebenfalls großen Anklang fanden – bis dieser schließlich von einem Seemann abgelöst wurde, der doch tatsächlich frisch aus der Neuen Welt angereist kam, die wundersamsten Dinge berichtete und dazu selbst gemalte Bilder zeigte.
    So verging die Zeit, und Anna genoss es immer mehr, in dieser abgelegenen und, auf ihre besondere Art, wohlbehütenden Unterkunft zu sein. Ihre Zeche bezahlten sie mit barer Münze, die hier gerne angenommen wurde, weil sich der Wirt sagte, dass auch wieder bessere Zeiten kommen würden. Außerdem hatten sie noch einiges an Wein und Branntwein in ihrem Wagen, mit dem sie in den ersten Tagen ihre Kost bezahlen konnten.
    Woher Philipp und Elisabeth Knopf all ihre Zutaten bekamen, verrieten sie nicht. Es war jedoch stets so viel da, dass alle Gäste satt wurden. Nicht immer war alles frisch, und auch gab es mitunter wochenlang dasselbe, doch die drei konnten sich darauf verlassen, niemals mit knurrendem Magen einzu-schlafen. Des Morgens wurden Haferschleim oder Grießbrei aufgetischt, mittags dann Schwarzbrot mit Wurst oder auch nur mit Butter, und des Abends wurde häufig sogar Fleisch gereicht. Davon gab es ungewöhnlich oft und viel, denn obwohl alle Wälder ringsumher entweder dem Landgrafen und seiner Jagdgesellschaft vorbehalten oder bereits so leergeschossen waren,

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