Diamonds & Rust
für ihre Freundin da, schweigend und mitfühlend.
Vanessa war ihr dankbar, sie wollte nicht reden, wollte nie wieder ein Wort verlieren über David und das, was passiert war.
Wie ein Roboter stand sie morgens auf, duschte, kleidete sich an und saß dann auf der Couch, bewegungslos ins Leere starrend. Genauso mechanisch zog sie sich abends wieder aus und legte sich ins Bett. Sie aß kaum, sie trank fast nichts, sie weinte nicht einmal.
Wie in Stein gemeißelt saß sie auf dem Sofa, tagein, tagaus.
Lediglich wenn das Telefon ging oder es an der Tür klingelte, zuckte sie zusammen. Sekundenlang schimmerte dann ein Funke der Hoffnung in ihren Augen, um sofort wieder zu verlöschen.
Nickys Sorge wuchs von Tag zu Tag. Sie bemerkte, dass Vanessa immer blasser und dünner wurde.
Ein paar Mal hatte sie überlegt, ob sie David anrufen sollte, es sich dann aber anders überlegt. Sie hatte keinerlei Ahnung, was vorgefallen war, am Ende würde sie alles noch verschlimmern.
Als sie jetzt von einem zweitägigen Flug zurückkam, fand sie Vanessa auf dem Sofa sitzend, scheinbar noch genauso, wie sie dagesessen hatte, als Nicky weggefahren war.
»Das kann ich mir nicht mehr mit ansehen«, dachte sie traurig, und überlegte fieberhaft, was sie tun könnte.
Da fiel ihr Jeremy ein. Seit sie Jeremy bei ihrem Besuch bei Vanessa und David kennengelernt hatte, hatten sie sporadisch miteinander telefoniert, und sie überlegte, dass er als Davids bester Freund vermutlich wissen würde, was los war.
Ihr war klar, dass Vanessa nicht damit einverstanden sein würde, also ging sie hinüber in ihr Schlafzimmer, während sie sich im Stillen ärgerte, dass ihr das nicht schon viel früher eingefallen war.
Zu ihrer Erleichterung meldete sich Jeremy gleich nach dem ersten Klingeln.
»Hi Jeremy, Nicky hier.«
»Hi Nicky.«
Sie stutzte, seine Stimme klang bedrückt, nicht so erfreut und gutgelaunt wie sonst, wenn sie telefoniert hatten.
»Ich hoffe, ich störe dich nicht, aber es ist wichtig«, kam sie gleich auf den Punkt, »Vanessa ist hier bei mir und es geht ihr nicht gut. Sie erzählt nichts, und ich will sie nicht bedrängen, aber ich mache mir Sorgen und muss wissen, was los ist – weißt du irgendetwas?«
Sie hörte, wie er schluckte.
»Ja ich weiß, was los ist – zumindest einen Teil. Aber das ist zu kompliziert, um das jetzt alles am Telefon zu erklären«, sagte er bedrückt.
Nicky wurde es mulmig, das hörte sich gar nicht gut an.
Bevor sie etwas sagen konnte, schlug Jeremy vor: »Was hältst du davon, wenn ich mich am Wochenende ins Auto setze und zu euch komme? Dann können wir in Ruhe reden, und ich möchte auch gerne sehen, wie es Vanessa geht und mit ihr sprechen.«
Am liebsten hätte Nicky alles gleich erfahren, aber dann stimmte sie zu.
»Gut, dann machen wir das so.«
Rasch gab sie ihm noch ihre Adresse, und dann verabschiedeten sie sich.
David stand in Vanessas Zimmer, reglos. Er nahm den Duft ihres Parfüms wahr, das noch immer zart in der Luft hing, und schloss die Augen.
Sie war überall.
Sie saß morgens am Frühstückstisch und alberte lachend mit Danny herum.
Sie saß abends mit ihm auf der Couch und kuschelte sich an ihn.
Sie schlief nachts neben ihm und schmiegte sich an ihn.
Sie war bei ihm, stets und ständig begleiteten ihn diese Erinnerungen.
Doch da war noch ein Bild: Sie stand in seinem Schlafzimmer, fast nackt, in den Armen seines besten Freundes – Schmerz und Wut loderten in ihm auf.
Schmerz darüber, dass er alles verloren hatte, was ihm wichtig war.
Wut darüber, dass er trotz all seiner Erfahrungen zuvor bereit gewesen war, zu vertrauen.
Abrupt verließ er das Zimmer und warf die Tür hinter sich zu.
Nein, alles hatte er nicht verloren, immerhin gab es noch Danny.
Danny, der freudestrahlend aus der Schule nach Hause gekommen war.
Danny, der weinend in sein Zimmer gestürzt war, als er ihm erklärt hatte, dass Vanessa weg war.
Immer wieder fragte er nach ihr, immer wieder wollte er wissen, wann sie zurückkäme, und immer wieder musste er ihn enttäuschen. Er hatte ihm erzählt, dass Vanessa dringend zu ihrer Freundin zurück musste, er war zu klein um die Wahrheit zu verstehen.
Leise öffnete David die Tür zu Dannys Zimmer, trat an sein Bett, zog ihm die Bettdecke zurecht und küsste ihn auf die Wange. Nachdem er die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, bewegte er sich einen Schritt auf sein Schlafzimmer zu, streckte bereits die Hand nach der Klinke aus – dann hielt er ruckartig inne.
Wie bisher
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