Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
sie. Das Pferd trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, und Merle zog die Zügel zu fest an. Als sie wieder sprach, machte sie sich keine Mühe, ihre Verärgerung zu verbergen. »Heute Abend? Warum sagst du ›heute Abend‹, wenn du in Wirklichkeit meinst, ›ich wäre lieber immer allein als mit dir zusammen‹? Warum machst du solche Entschuldigungen? Warum sagst du mir nicht einfach, dass du mir noch nicht verziehen hast und es auch niemals tun wirst?«
Das stimmte. Ich hatte ihr nicht verziehen. Aber ihr das zu sagen, wäre ziemlich dumm gewesen. »Können wir es nicht einfach lassen? Inzwischen ist es doch ohnehin egal«, sagte ich, und auch das war richtig.
Sie schnaufte. »Aha. Ich verstehe. Es ist egal. Ich bin egal. Ich begehe einen Fehler, vergesse, dir eine Sache zu sagen, die dich nicht wirklich etwas angeht, und du beschließt nicht nur, mir niemals zu verzeihen, sondern auch, nie wieder mit mir zu reden?« Ihre Wut wuchs in erstaunlichem Maße. Ich blickte zu ihr hinauf, während sie weiter tobte. Ihr Gesicht war im schwächer werdenden Licht leicht verschwommen. Sie sah älter und müder aus, als ich sie je gesehen hatte. Und wütender. Benommen ließ ich ihren Zorn über mich hinweg fluten. »Warum ist das so, frage ich mich selbst. Warum kann ›Tom Dachsenbless‹ mich so einfach beiseite schieben? Weil ich dir nie etwas bedeutet habe, außer für eine Sache: ein kleines, angenehmes Ding, das ich dir direkt vor die Tür gebracht habe, ein Ding, von dem ich geglaubt habe, dass wir es in Freundschaft und Zärtlichkeit miteinander teilen, ja in Liebe sogar. Aber du hast beschlossen, dass du es nicht mehr von mir willst und es zusammen mit dem Rest von mir einfach weggeworfen. Du tust so, als wäre das Alles, was wir geteilt hätten, reduzierst mich auf diese eine Sache. Und warum? Ich muss gestehen, dass ich mehr darüber nachgedacht habe, als ich hätte tun sollen, und ich glaube, ich habe auch die Antwort gefunden. Liegt es daran, dass du einen anderen Ort gefunden hast, um deine Lust zu stillen? Hat dein neuer Herr dich seine jamailianische Art gelehrt? Oder habe ich mich all die Jahre lang geirrt? Vielleicht war der Narr wirklich ein Mann, und du bist einfach nur zu dem zurückgekehrt, was du immer schon vorgezogen hast.« Sie riss ihr Pferd wieder am Geschirr. »Du widerst mich an, Fitz, und du bist eine Schande für den Namen Weitseher. Ich bin froh, dass ich dich aufgegeben habe. Nun da ich weiß, was du bist, wünschte ich, ich hätte nie bei dir gelegen. Wessen Gesicht hast du all die Male gesehen, wenn du deine Augen geschlossen hast?«
»Mollys, du dumme Schlampe. Immer nur Mollys.« Das war nicht wahr. Ich hatte weder sie noch mich auf diese Art betrogen; aber das war die verletzendste Erwiderung, die mir einfiel. Vielleicht verdiente Merle sie gar nicht. Außerdem beschämte es mich, dass ich Mollys Namen auf diese Art benutzte, doch meine schwelende Wut heute Abend hatte endlich ein Ziel gefunden.
Merle atmete mehrmals tief durch, als hätte ich ihr kaltes Wasser über den Kopf geschüttet. Dann lachte sie schrill. »Ohne Zweifel flüsterst du ihren Namen ins Kissen, wenn Fürst Leuenfarb dich besteigt. O ja, das kann ich mir gut vorstellen. Du bist wirklich erbärmlich, Fitz. Einfach nur erbärmlich.«
Sie gab mir keine Gelegenheit zurückzuschlagen, sondern trat ihrem Pferd grausam die Sporen in die Flanken und galoppierte in die verschneite Nacht davon. Einen wilden Augenblick lang hoffte ich, das Tier würde stolpern und Merle sich das Genick brechen.
Dann, just als mein Zorn seinen Höhepunkt erreichte, verrauchte er. Mir war übel, ich war traurig, und es tat mir leid. Allein stand ich auf der dunklen Straße. Warum hatte der Narr mir das angetan? Warum? Ich setzte mich wieder in Bewegung.
Doch ich ging nicht ins Festsitzende Schwein. Ich wusste, dass ich weder Harm noch Svanja dort finden würde. Stattdessen ging ich in den Hund und Pfeife, eine uralte Taverne, wo ich einst oft mit Molly gewesen war. Ich setzte mich in eine Ecke, beobachtete das Kommen und Gehen der Gäste und trank zwei Krüge Bier. Es war gutes Bier, weit besser als das, was ich mir hatte leisten können, als ich zum letzten Mal mit Molly hier gesessen hatte. Ich trank und erinnerte mich an sie. Sie zumindest hatte mich wirklich geliebt. Doch der Trost, den mir diese Erinnerungen spendeten, schwand rasch wieder. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, wie es mit Fünfzehn gewesen war, als ich verliebt
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