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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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und dachte nach. Dann legte er die Hand aufs Heft von Chivalrics Schwert. »Bis zu dem Tag, da du mir dieses Schwert zurückgibst, dem Tag meiner Krönung, möchte ich, dass es hier bei dir bleibt.« Er atmete tief durch, »Und wenn ich deines Vaters Schwert von dir entgegennehme, sollst du meines Vaters Waffe zurückbekommen.«
    Das war eine Geste, der ich mich nicht verweigern konnte.
    Kurz darauf verließ mich Pflichtgetreu auf dem gleichen Weg, den er gekommen war, und nahm Veritas Schwert mit.
    Ich machte mir einen frischen Becher Tee, setzte mich und betrachtete die Waffe meines Vaters. Ich versuchte, darüber nachzudenken, was sie mir bedeutete, fand aber nur eine seltsame Leere in mir. Selbst die Tatsache, dass ich vor kurzem herausgefunden hatte, dass er mich nicht vergessen, sondern mittels der Gabe durch die Augen seines Bruders beobachtet hatte, machte seine körperliche Abwesenheit in meinem Leben nicht wett. Vielleicht hatte er mich ja aus der Ferne geliebt, doch Burrich war es gewesen, der mich erzogen hatte, und Chade hatte mich unterrichtet. Ich schaute auf das Schwert und suchte nach einem Gefühl der Verbundenheit, nach irgendwas, fand aber nichts. Als ich schließlich meinen Becher leergetrunken hatte, war ich weder einer Antwort näher gekommen noch wusste ich, wie überhaupt die Frage lautete, nach deren Antwort ich suchte. Einen anderen Entschluss hatte ich jedoch getroffen: Ich würde mir noch einmal Zeit nehmen, um Harm ein letztes Mal zu sehen, bevor wir aufbrachen.
    Ich ging zu Bett, und es gelang mir, mein Kissen von Gilly zurückzuerobern. Nichtsdestotrotz schlief ich schlecht, und selbst dieser unruhige Schlaf wurde auch noch unterbrochen. Nessel drängelte sich in meine Träume wie ein Kind, das widerwillig nach Trost sucht. Es war ein seltsamer Kontrast. In meinem Traum überquerte ich einen steilen Geröllhang, den ich von meinem Aufenthalt in den Bergen her kannte. Ich hatte den schlaffen Leib des Narren über diesen ständig von Lawinen bedrohten Hang getragen. In meinem Traum trug ich keine solche Last, doch der Hang wirkte steiler, der Fall endlos. Lose Steine verrutschten tückisch unter meinen Füßen. Jeden Augenblick konnte ich den Berg hinunterrutschen wie die Kiesel, die an mir vorbeiprasselten. Meine Muskeln schmerzten vor Anspannung, und Schweiß rann mir über den Rücken. Dann nahm ich aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung wahr und drehte langsam den Kopf. Da entdeckte ich Nessel, die ein Stück hangaufwärts von mir saß und meinen qualvollen Fortschritt verfolgte.
    Sie saß zwischen Gras und Wildblumen. Ihr Kleid war grün und ihr Haar mit winzigen Gänseblümchen geschmückt. Selbst für die Augen meines Vaters wirkte sie mehr wie eine Frau denn wie ein Kind, doch sie saß dort wie ein kleines Mädchen, die Knie unter das Kinn gezogen und die Arme um die Beine geschlungen.
    Ich kämpfte um mein Gleichgewicht auf dem instabilen Hang. In ihrem Traum, der an meinen grenzte, saß sie auf einer Bergwiese. Ihre Gegenwart zwang mich zuzugeben, dass ich träumte, und doch konnte ich mich der Anstrengung meines Albtraums nicht ergeben. Ich wusste nicht, ob ich fürchtete, zu Tode zu stürzen oder aufzuwachen. So rief ich ihr zu, »Was ist?«, während ich mich Schritt für Schritt über den Berghang schleppte. Es war egal, wie weit ich ging; fester Boden blieb in unerreichbarer Ferne, während Nessel weiter auf ihrer Wiese hockte.
    »Mein Geheimnis«, sagte sie leise. »Es nagt an mir. Deshalb bin ich gekommen, um dich um Rat zu bitten.«
    Sie hielt kurz inne, doch ich erwiderte nichts darauf. Ich wollte weder ihr Geheimnis wissen noch ihr Rat anbieten. Ich durfte mich nicht dazu verpflichten, ihr zu helfen. Auch wenn dies ein Traum war, so wusste ich doch, dass ich Bocksburg bald verlassen würde, und selbst wenn ich geblieben wäre, hätte ich nicht in ihr Leben eindringen können, ohne zu riskieren, es zu zerstören. Es war besser, wenn ich ein vages Traumwesen am Rande ihrer Realität bleiben würde. Doch trotz meines Schweigens, sprach sie zu mir.
    »Wenn jemand sein Wort gibt, über etwas zu schweigen, ohne zu ahnen, wie viel Schmerz das mit sich bringen wird, nicht nur für einen selbst, sondern auch für andere, muss man dieses Wort dann halten?«
    Diese Frage war zu schwerwiegend, als dass man sie unbeantwortet hätte lassen können. »Du kennst die Antwort darauf«, keuchte ich. »Das Wort einer Frau ist heilig. Entweder hält sie es, oder es ist nichts

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