Die Barbaren von Ragnarok
ihr erstes Opfer – dieser Polizist hier. Sie durchschnitt ihm die Kehle mit einem scharfkantigen Steinsplitter und nahm seine Waffe, mit der sie dann alle übrigen tötete.«
John ging von Tisch zu Tisch und blickte auf die Toten hinab, vier Männer, zwei Frauen und vierzehn meist kleine Kinder. Mit Ausnahme des Polizisten waren sie alle mit einer Energiewaffe getötet worden.
Es war unglaublich, daß Barbara so etwas getan haben konnte, selbst unter Hypnose. Doch da lagen die Opfer, und die leblosen kleinen Gesichter der Kinder blickten zu ihm auf …
»Gehen wir«, sagte er. »Zeigen Sie mir das umstellte Gelände, und ich werde sie da herausholen.«
»Sie können es nicht verfehlen«, sagte Birdwell. »Der Kordon unserer Leute ist mit Scheinwerfern ausgerüstet, die das Gebiet deutlich markieren. Es ist ganz in der Nähe, nördlich von hier.«
John kehrte zu seinem Boot zurück, startete und flog langsam nordwärts. Ein Lichterkranz mitten im schwarzen, hügeligen Waldland zeigte ihm, wo er Barbara zu suchen hatte. Er ging fast auf Baumwipfelhöhe herunter, und als er in der Mitte des abgesperrten Gebiets eine winzige Lichtung entdeckte, landete er und ging von Bord, um zu warten. Barbara würde das Boot wiedererkennen und, wie er hoffte, zu ihm kommen.
Es war warm unter den grünen Bäumen, und der Duft von blühenden Gräsern und Stauden durchzog die milde Nacht. Kein Geräusch war zu hören.
Seine Augen hatten sich an das Sternenlicht gewöhnt, als er einen großen schwarzen Schatten über die Lichtung rasen sah, direkt auf ihn zu. Dann hörte er die leisen, kehligen Freudenlaute.
»Sigyn!«
Wenn Sigyn am Leben war, dann mußte auch Fenrir in der Nähe sein. Er streichelte den breiten schwarzen Kopf, der sich an ihn drängte, und fragte: »Wo ist Barbara, Sigyn? Ist sie gesund?«
Sigyns Wiedersehensfreude schien zu schwinden. Das Tier winselte wie in Angst, als wolle es ihm verständlich machen, daß mit Barbara etwas nicht stimmte.
Er fand Barbara wenige Minuten später. Sie erschien auf der anderen Seite der Lichtung, eine schomarische Strahlpistole auf ihn gerichtet, die Kleider zerrissen, ihr Haar wirr herabhängend, einen Ausdruck von Wildheit in Gesicht und Haltung.
»Ah – du bist es«, sagte sie mit enttäuscht klingender Stimme und ließ ihre Waffe sinken. »Ich hatte gehofft, es würde ein Schomarer sein, den ich töten könnte.«
Fenrir kam zu ihm gerannt und umsprang ihn glücklich. John kraulte ihm die Ohren und sagte zu Barbara:
»Wie fühlst du dich?«
»Wie ich mich fühle? Gut. Ich fühle mich großartig – warum sollte ich nicht?«
»Als ich das letzte Mal von dir hörte, dachtest du, Lora sei vor dem Boot.«
»Das war nur eine schomarische Verkörperung von ihr. Ich entkam, bevor sie mich gefangennehmen konnten, aber ich glaube, sie erwischten Dale.«
»In der Stadt sagten sie mir, daß du nachts Schomarer getötet hättest.«
»Es macht mir Spaß, die Schomarer zu töten – sie sind unsere Feinde.«
»Sie sagten mir, du hättest auch schomarische Kinder getötet.«
»O ja – jedes, das ich finden konnte. Kleine Schomarer töte ich am liebsten von allen. Dann können sie nie aufwachsen und große Schomarer werden.«
»Wo ist Freckles?« fragte er.
»Freckles?«
»Der kleine Spötter, den du hattest.«
»Ach der. Wahrscheinlich fiel er von meiner Schulter und ging verloren. Ich habe es gar nicht gemerkt.«
»Gehen wir zum Boot«, sagte er. Sie ging hinter ihm, die Energiepistole in der Hand.
»Ich habe Lora gefunden«, sagte er. »Sie ist auf Kilvar.«
»Auf Kilvar? Quälen und töten die Schomarer dort immer noch die Kilvarl?«
»Wie kommst du auf die Idee, daß sie das täten?«
»Ich hörte sie miteinander reden und lachen, während sie von ihren Taten erzählten.«
»Sie unterhielten sich miteinander in der Sprache der Gern?«
»Nein – auf schomarisch. Ich kann schomarisch verstehen.«
»Was ist das schomarische Wort für ›Baum‹?«
Sie ging ein kleines Stück, ohne zu antworten. »Ich kann es dir nicht sagen«, sagte sie dann. »Daß ich weiß, was sie sagen, ist meine Geheimwaffe, und niemand soll ihnen je verraten, daß ich es weiß.«
Sie stiegen ins Boot. Dort, im Licht, sah er sie zum ersten Mal deutlich. Sie war nicht mehr die Barbara, die er kannte. Das dunkle Haar hing wirr und verfilzt um ihr zerkratztes und schmutziges Gesicht, das leer und hart war. Nur die Augen darin waren lebendig, wild und ruhelos.
»Wann hast du zuletzt
Weitere Kostenlose Bücher