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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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also die gesamte Fraktion ferngesteuert. Alle sind gehorsam und zum Töten ausgebildet. Die perfekten Soldaten.
    Ich nehme eine Waffe, eine Pistolentasche und einen Patronengürtel, genau wie Will es macht, der unmittelbar vor mir geht. Ich versuche, seine Bewegungen nachzuahmen, aber ich weiß nicht, was er als Nächstes tun wird, deshalb fummle ich mehr herum, als mir lieb ist. Ich beiße die Zähne zusammen. Ich muss einfach darauf hoffen, dass mich niemand beobachtet.
    Sobald ich die Waffe habe, folge ich Will und den anderen zum Ausgang.
    Ich kann keinen Krieg gegen die Altruan führen, nicht gegen meine Familie. Lieber würde ich sterben. Meine Angstlandschaft hat das bewiesen. Die Möglichkeiten, die mir jetzt noch bleiben, sind gering, aber ich sehe den Weg, den ich einschlagen muss, deutlich vor mir. Ich werde so lange mitspielen, bis ich im Altruan-Viertel bin. Ich werde meine Familie retten. Was danach geschieht, spielt keine Rolle. Eine große Ruhe überkommt mich.
    Die Kolonne biegt in einen dunklen Gang ab. Ich kann Will vor mir kaum erkennen, geschweige denn sehen, was vor uns liegt. Plötzlich stoße ich mit den Füßen gegen etwas Hartes und stolpere mit vorgestreckten Händen. Ich schlage mit den Knien auf. Eine Stufe. Ich reiße mich zusammen, so sehr, dass ich fast anfange, mit den Zähnen zu klappern. Keiner hat etwas gesehen. Es ist zu dunkel. Bitte, lass es zu dunkel sein.
    Als die Treppe eine Kehre macht, dringt Licht herein und ich sehe Will wieder vor mir. Ich konzentriere mich darauf, im gleichen Schritt wie er zu marschieren. Oben an der Treppe angekommen, müssen wir an einem weiteren Anführer der Ferox vorbei. Jetzt weiß ich, wer zu den Anführern gehört, denn sie sind als einzige bei wachem Verstand.
    Das stimmt nicht ganz. Ich bin schließlich auch bei wachem Verstand. Das liegt wohl daran, dass ich eine Unbestimmte bin. Und wenn ich Herr meiner Sinne bin, dann ist es auch Tobias, falls ich mich nicht in ihm getäuscht habe.
    Ich muss ihn suchen.
    Inzwischen stehe ich neben den Gleisen, in einer fast unübersehbaren Menschenmenge. Der Zug hat vor uns angehalten, alle Wagentüren stehen offen. Einer nach dem anderen steigt in die Waggons.
    Ich kann mich nicht umdrehen, um Tobias zu suchen, aber ich schiele nach rechts und nach links. Die Gesichter links von mir sind mir fremd, aber rechts, ein paar Schritte neben mir, sehe ich einen groß gewachsenen Jungen mit kurzen Haaren. Vielleicht ist es gar nicht Tobias, aber es ist die einzige Chance, die ich habe. Ich weiß nicht, wie ich zu ihm gelangen kann, ohne die anderen auf mich aufmerksam zu machen. Aber ich muss zu ihm.
    Der Wagen vor mir ist voll, deshalb geht Will zum nächsten Waggon. Ich mache ihm alles nach, aber statt stehen zu bleiben, rücke ich ein paar Schritte weiter nach rechts. Die Menschen um mich herum sind alle größer als ich, ich kann mich zwischen ihnen verstecken. Ich beiße die Zähne zusammen und mache noch einen Schritt nach rechts. Ich bewege mich zu viel. Sie werden mich erwischen. Bitte erwischt mich nicht.
    Ein Ferox im nächsten Wagen reicht dem Jungen vor mir die Hand und er nimmt sie. Er bewegt sich wie ein Roboter. Ohne hinzusehen, ergreife auch ich eine Hand und klettere so flink wie möglich in den Wagen.
    Ich stehe vor der Person, die mir geholfen hat, und wage einen raschen Blick in das Gesicht. Es ist Tobias, er starrt genauso ausdruckslos vor sich hin wie die anderen. Habe ich mich getäuscht? Ist er gar kein Unbestimmter? Tränen schießen mir in die Augen. Ich blinzle sie weg und wende mich ab.
    Noch mehr Menschen drängeln sich in den Waggon, wir stehen Schulter an Schulter in Viererreihen. Und dann geschieht etwas Unerwartetes: Finger verschränken sich in meine, eine Handfläche drückt sich an meine.
    Tobias hält meine Hand.
    Eine Welle von Energie durchflutet mich. Ich drücke seine Hand und er erwidert meinen Händedruck. Er ist wach. Ich hatte recht.
    Ich möchte ihn anschauen, aber ich zwinge mich, reglos stehen zu bleiben und vor mich hin zu starren, während sich der Zug in Bewegung setzt. Sein Daumen streicht mit langsam kreisenden Bewegungen über meinen Handrücken. Er will mich beruhigen, aber stattdessen werde ich immer nervöser. Ich muss mit ihm reden. Ich muss ihn anschauen, ich muss.
    Wohin der Zug fährt, sehe ich nicht, denn das Mädchen vor mir ist ziemlich groß. Also starre ich auf ihren Hinterkopf und konzentriere mich auf Tobias’ Hand, bis schließlich der Zug

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