Die Besucher
Eine Entdeckung des Großen Lehrmeisters
»Mach doch keinen Quatsch, Worel! Was fängt man mit einem Elefanten an?«
»Wer hat ihn gefunden? Ich oder du? Eine Spende für die Naturkundesammlung. Einen Elefanten hat der Professor dort noch nicht.«
Eigentlich hatte den Holzelefanten mit dem abgebrochenen Rüssel Alice aus der IIIA gefunden. Er lag dort auf dem Pflaster, wo noch gestern der Twister mit den Fliegenden Untertassen stand. Aber der Schüler Worel hatte ihn beschlagnahmt und trug ihn nun zur Schule, fest entschlossen, das Tier auch gegen die Übermacht der Mädchen zu verteidigen, die ihm ihre Schultaschen um die Ohren schlugen.
»Adam zur Hilfe! Die Karthager über mir!«
»Autsch! Na wartet...!«
Dem Genie der Jahrtausendwende hatte ein Mädchen den Beutel mit den Turnschuhen um die Ohren gehauen. Aber diesen hinterlistig geführten Hieb zahlte er nicht mehr heim. In einer Seitenstraße entdeckte er, neben einem uralten Fahrrad, das mit allerhand Eimern und Töpfen behängen war, den alten Drichlik. Mehr brauchte er nicht zu wissen. Er verließ die Schlacht und sagte hoffnungsvoll:
»Wenn Sie zum Fluß angeln gehen...«
»Ja und nein. Wenn du willst, steig auf den Fahrradrahmen!«
Mehr sagte der Alte nicht. Schweigend trat er in die Pedale. Das Fahrrad quietschte. Stadt und Fluß ließ er hinter sich.
»Fahren wir nach Bejschowetz?«
»Ja und nein«, sagte der Alte ebenso geheimnisvoll, wie er erschienen war. »Jetzt wirst du was zu sehen kriegen. Karthago ist nichts dagegen!«
Er fuhr durchs Gebüsch und über die Kopfsteine des Teichdamms zum Ufer des Teichs hinab, eines Teichs, der noch gestern da war und jetzt nicht mehr war, denn das Wasser des Teichs war verschwunden. Die Fische nicht. Die waren überall. Sie plätscherten in den übriggebliebenen Pfützen herum.
»Lauter Karpfen!« Der Junge glitt vom Fahrradrahmen. Schlamm hin, Schlamm her. Er rannte zu den Fischen. Aus seinen Augen sprach Begeisterung und Bewunderung für den Alten. »Na sowas? Wie haben Sie das geschafft, Herr Drichlik?«
Aber der Alte zuckte nur bescheiden mit der Schulter, krempelte die Hosenbeine hoch und begab sich barfuß auf die Fischjagd in den Schlamm. Bald darauf waren die Eimer und Töpfe randvoll von Fischen. Adam trug sie zu der Hütte des Alten. Für den weiteren Fischzug nahmen sie bereits einen Karren und Kunststoffbeutel mit. Es sah jedoch nicht so aus, als hätte die Menge der Karpfen im Teich sich verringert. Dafür waren sie jetzt in der Hütte überall. Sie plätscherten in den Töpfen, sie schwammen im Trog am Ziegenstall. Einen weiteren Sack mit Fischen schüttete Adam in die Betonmischmaschine, die er zuvor mit Wasser gefüllt hatte, aber für die weitere Ernte wußte er nun keinen Rat mehr.
»Nicht in die Wanne! In der bade ich!« verteidigte der Alte eine seltsame, schäbige Tonne neben dem Herd, die mit einem Bildchen der Diana im Bade verziert war. »Mach mal einen Sprung auf den Dachboden! Dort, wo die Ölpresse steht, die nicht mehr preßt. Dort müßte ein Waschtrog sein.«
»Der ist auch schon voll«, stöhnte Adam, den dieses Übermaß von Karpfen zu ermüden begann. Einige tat er noch in ein Krautfäßchen, aber drei Fische blieben übrig. »Dabei liegt noch ein Sack mit Spiegelkarpfen draußen auf dem Karren!«
»Die Regentonne unter der Dachrinne«, erinnerte sich Drichlik. Pitschnaß, barfuß, gingen sie sie holen. »So ein Spiegelkarpfen ist eben ein Spiegelkarpfen, aber zur Weihnachtszeit...«
Was zur Weihnachtszeit sein sollte, das sagte der Alte nicht mehr. Auf dem Hof, zwischen Waschtrog, Eimern, Töpfen, Waschbecken und der Betonmischmaschine, voll von Karpfen, hielt der Wagen mit den bekannten grünweißen Streifen, das Auto der Schutzpolizei. Der rangälteste Beamte aus dem Streifenwagen betrachtete die Schuppen- und Spiegelkarpfen. Dann öffnete er einladend und mit freundlicher Miene die Tür des Autos.
»Das mit der Weihnachtszeit werden Sie uns an einem anderen Ort erklären müssen, Opa! Der Adam auch, wie ich hoffe!« Er selbst konnte jedoch nicht widerstehen und mußte eine Hand zwischen die Fische ins Wasser tauchen. »Bei Ihnen steht wohl das Christfest bereits vor der Tür?«
40. Ein schicksalhaftes Foto
»Gesund leben? Daß ich nicht lache!« Wütend schritt Philipp durch das Zimmer, wo überall Wäsche zum Trocknen hing. »In einer Minute wird dort unten, unter unserem Fenster ein Lastwagen der Bierbrauerei mit einem Lieferwagen des
Weitere Kostenlose Bücher