Die Chronistin
Kammer zu Kammer eilend, scherte sie sich nicht um das Geheimnis in Bertrands Haus, sondern einzig um die eigene Suche.
Drei Nächte waren vergangen, seit sie Frère Guérin nutzlos um Hilfe angefleht hatte, und in jeder dieser Nächte hatte sie sich darum bemüht, den Gatten zu verführen. Verderbter und schmutziger fühlte sie sich dabei als seinerzeit, da sie Griseldis’ oder Arnulfs Lust zu stillen hatte. Beide hatten nach den Berührungen durch ihre Hände gegeifert – Bertrand aber wand sich widerstrebend. Sie versuchte gar nicht erst, zischelnde Worte zu sprechen, sondern kam in sein Gemach geschritten und legte den eigenen schweren Leib auf seinen. Er dachte, es geschehe ihr im Traum, und schob sie weg.
»Nicht!«, bat sie flehend und suchte tastend nach seinem Geschlecht, das warm, aber weich zwischen den Beinen lag. »Stoßt mich nicht fort – bin ich nicht Euer Weib?«
Sein Geschlecht verhärtete sich, aber nicht, weil in ihm Begehren reifte, sondern vor Zorn. »Du denkst wohl, du könntest mich solcherart bewegen, mein Verbot aufzuheben und dir wieder Zugang zur Bibliothek erlauben? Oh, die billigsten Huren von Paris könnten nicht dreister sein. Wie schwer du atmest und wie heftig du schwitzt – denkst du, dass ich, der Gatte der schönsten Frau auf Erden, jemals bei dir liegen würde?«
Sie hatte ihn aus Berechnung haben wollen. Dennoch trafen seine Worte sie, als hätte sie ihm ihr bloßes Herz vor die Füße geworfen. Während er sich von ihr abwandte, lag sie lautlos schluchzend bis zum Morgengrauen. Dann erinnerte sie sich, dass sie in einem von Schwester Cordelis’ Büchern von einer Mixtur aus Bibergeil, Myrrhe und Raute gelesen hatte, die bei einer schwangeren Frau einen Abort herbeiführen würde.
Getröstet, dass es ein Mittel gäbe, wie sie sich des Ungeborenen entledigen könnte, schlief sie endlich ein. Wieder erwacht freilich stürzte sie in die nächste Sorge, woher sie sich das Abtreibungsmittel beschaffen könne.
Bertrand, ging ihr jäh durch den Kopf, Bertrand braut das Lebenselixier – wer weiß, welche Kräuter er bei seinen Zaubereien benötigt? Strömt nicht manchmal würziger Geruch von oben?
Sie wusste ihn in gewohntem Zimmer arbeiten – und machte sich auf, um die anderen zu erforschen. Finster war es in den meisten, die Balken geschlossen, die Truhen meist nicht mit Pflanzen, Kräutern und Gewürzen gefüllt, sondern mit Kleidern.
Zunächst achtete sie wenig darauf – erst später ging ihr auf, dass sie noch selten so feinen Stoff gefühlt hatte, verziert mit glitzerndem Schmuck und kleinen Glöckchen, die sachte läuteten. Nicht nur gewöhnliche Röcke waren da zu finden, sondern auch hauchzarte Schleier für Kopf und Gesicht.
Es muss dies Mélisandes Ausstattung gewesen sein, ging es ihr durch den Kopf – und sie verzweifelte ob der Ahnung, dass vielleicht nur eine einzige Kammer der Zauberei gewidmet war, alle anderen aber dem ungestörten Andenken an Bertrands schöne, tote Gattin.
Sie öffnete eine weitere Tür – und diesmal zuckte sie zurück. Ein Geruch, der angenehm hätte sein können, wäre er sparsam eingesetzt, schien in der Fülle ihre Lungen zu verätzen. Es war, als wären nicht nur kleine Flakons mit Duftwässerchen hier bereitet, sondern als würde solches aus riesigen Schüsseln strömen.
Sie trat in den Gang, um nach frischem Atem zu schöpfen – und eben hier geschah’s, dass sie bei ihrer Suche ertappt wurde.
Der wachsamen Isidora schien nicht entgangen zu sein, dass sie unten fehlte.
»Was treibt Ihr hier? Hab’ ich Euch nicht gesagt...«
Sophia entwich dem zupackenden Arm. »Fasst mich nicht an!«, kreischte sie. »Denkt Ihr, ich lasse mich von einer Dienstmagd maßregeln?«
Isidoras gegerbte Haut erbleichte – es war nicht gewiss, ob vor Furcht oder Zorn.
Sophia aber stürmte in die nächste Kammer, in einen Rausch versetzt, der keine kühle Planung kennt, wie kürzlich bei Frère Guérin. Nichts anderes trieb sie an, ja hockte ihr auf den Fersen, als die Furcht, verloren zu sein.
»Halt!«, befahl Isidora. »Ihr dürft doch nicht... Ich sage es Eurem Gatten!«
»Lasst ihn doch nutzlos werken! Ich gönne ihm die Zauberei. Glaubt mir, ich habe genug der eig’nen Sorgen!«
»Unheil!«, rief Isidora. »Ihr bringt Unheil über das ganze Haus!«
»Ach, sei’s drum! Dass ich nicht Wohltat bringe, weiß ich längst. Ihr aber hört endlich zu kreischen auf!«
Isidora besprang sie von hinten wie eine geschmeidige Raubkatze. An
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