Die Chronistin
ihr gestattet sind. Vor allem aber...«
Sie machte eine Pause, und kurz ging ihr durch den Kopf, was sie sich für den steifen Frère Guérin ausdenken würde, wäre sie befähigt, auch ihn zu strafen: dafür, dass er sie wie eine Fremde behandelte, dass er sie für seine Zwecke gebrauchte, ohne nach ihrem Wohl zu fragen, dass in ihr die alte Wunde pochte und schmerzte, er aber mitnichten gleiche Zerrissenheit zeigte.
»Fahrt fort!«, bat er sie.
»Dieser Kaufmann Arnulf, welcher aus Lübeck kommt«, setzte sie an, »und ins Kloster von Étampes eingetreten ist... er ist der erbittertste Feind des Königs. Übel klingt, was über ihn aus seinem Mund zu hören ist. Er meint, die Rechte von Isambour zu schützen, indem er Knut von Dänemark ihre schäbige Lage mitteilt. Doch er spart dabei nicht an Übertreibung. Und obendrein webt er munter an Legenden, die den Ruf der armen Königin als Heilige und Märtyrerin festigen sollen. Ich rate Euch: Haltet ihn von ihr fern! Erlaubt ihm nicht, ihr nahe zu kommen!«
Sie rieb ihre Hände aneinander, um die roten Fingerspitzen zu wärmen. Indessen Frère Guérin bedächtig nickte, deuchte sie die eigene Rache an Arnulf und Gret schon erbärmlich. Denn um sie zu vollziehen, musste sie ein Bündnis mit dem noch mehr Verhassten schließen.
»So habt Ihr denn von keiner Veränderung zu berichten«, meinte er schließlich. »So gibt es noch immer zu viele, die an der Ehe festhalten, ganz gleich, wie schlecht sie Isambour bekommt. Ich habe solches schon befürchtet...«
Sophia nickte. »So ist es«, murmelte sie.
»Nun dann... habt Dank für diese Nachricht...«, murmelte er schlicht.
Er schien sie entlassen zu wollen, für heute, für immer.
»Wofür?«, zischte sie da unbeherrscht und kam sich jäh wie ein kleinliches, gemeines Weib vor. »Dass ich nach allem, was zwischen uns geschehen ist, so schnell bereit war, Eurer Bitte zu folgen? Für wie dumm müsst Ihr mich halten! Für wie vergesslich!«
Überrascht ob des plötzlichen, unerwarteten Angriffs weitete er die Augen, doch sie bemerkte es nicht, wähnte sich sicher, dass er angewidert und überdrüssig wäre.
»Ma Dame...«
»Spart’s Euch, mein Lieber! Ich weiß doch, dass Ihr mich für eine Närrin haltet, dass Ihr einzig mit mir sprecht, weil ich Euch eben nützlich war! Schon morgen werdet Ihr wieder schweigend und angewidert über mich hinwegsehen, nicht wahr? Nur keine Erinnerungen heraufbeschwören! Nur nicht an lang Vergangenes denken! Aber bitte... meinetwegen. Ihr habt die Vergangenheit nicht angesprochen, so werde auch ich es nicht weiter tun.«
»Ma Dame...«
»Es ist genug!«, unterbrach sie ihn zischend und wusste nicht, wen sie in Wahrheit bremsen wollte: ihn oder vielmehr sich selbst. Heftig atmend suchte sie die Beherrschung wiederzufinden. »Nun gut«, setzte sie gemäßigter, aber nun höhnend hinzu, »ich habe Euch berichtet, was ich in Étampes erlebte, und damit wollen wir’s bewenden lassen. Ihr müsst auch keine Angst vor meinen schrillen Worten haben. Ihr müsst nicht wieder die Wachen rufen, um mich von Euch fortzuschleifen.«
Sie wich seinem verwirrten Blick aus, noch ehe er antworten konnte, drehte sich um und hastete in den Gang. Dorthin begleitete sie kein Gefühl des Triumphes, sondern eines von Schmach und Niederlage und Armseligkeit. Alle Untaten, ob gerade erst begangene oder vor vielen Jahren verbrochene, tanzten durch das Gedächtnis – nicht, um sie anzuklagen, sondern um ihr Leben als missglücktes zu verspotten. Der Hass, der sie bewogen hatte, mit Dreck nach Arnulf zu werfen, war mild und freundlich im Gegensatz zum bitterkalten, nagenden Groll, den sie gegen Guérin hegte – und gegen sich selbst, da sie ihn hatte beeindrucken wollen, indem sie willfährig seinen Wunsch erfüllt hatte, nach Isambour zu sehen. Warum hatte sie es getan, wiewohl es ihr nichts einbrachte – zumindest keine Anerkennung von ihm, nur den grässlichen Anblick einer elend zugrunde gehenden Königin, der sie noch über Tage verfolgen würde? Warum hatte sie sich obendrein hinreißen lassen, von der schmählichen Vergangenheit zu sprechen?
Ein kläglicher Ton entfuhr ihrer Kehle. Er erschreckte sie selbst, mehr aber noch ein zartes Fräulein, das sich ihr unbemerkt genähert hatte und das sich jetzt vor ihr duckte.
»Sophie de Guscelin?«, fragte dieses Fräulein.
Sophia brachte keinen Ton hervor, aber nickte erleichtert, dass jemand sie von ihrem Elend ablenkte.
»Die Dauphine Blanche
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