Die Company
Oberfläche kommt.«
Bei dem Bild musste er lachen. »Du bist vielleicht ’ne Marke, Bernice. Ich bin doch kein Tiefseetaucher!«
»In gewisser Weise schon. Du bist ein russischer Tiefseetaucher, der den Haien und Stachelrochen trotzt, um das kapitalistische Wrack in den düsteren Tiefen zu erkunden.« Sie sah den finsteren Ausdruck in seinen Augen und sagte rasch: »He, Loukas kann uns nicht hören.« Sie lächelte sehnsüchtig. »Bitte, bitte – nimm mich mit, Eugene, wenn du nach Hause fährst.« Sie warf einen prüfenden Blick zu dem Griechen hinüber, wandte sich dann wieder Eugene zu und flüsterte: »Ich möchte mit dir in Russland leben, Schätzchen. Davon träum ich.«
»Es ist dort nicht so, wie du denkst«, sagte er leise.
»Wie ist es denn ?«
»Es herrscht große Wohnungsnot – manchmal leben zwei oder drei Familien in einer Wohnung. Vor den Geschäften stehen die Menschen Schlange – man muss sich dreimal anstellen, bevor man irgendwas kriegt.« Er überlegte, womit er sie noch abschrecken konnte. Wenn er tatsächlich irgendwann zurückging, wer weiß, vielleicht konnte er ja mit Asalia Isanowa dort weitermachen, wo sie aufgehört hatten. Vorausgesetzt, sie war nicht verheiratet. Vorausgesetzt, sie erinnerte sich an ihn. Nach all den Jahren klang ihm noch immer ihre Stimme in den Ohren. Wir werden zusammen erkunden, ob deine Lust und mein Verlangen harmonieren. »Da ist noch etwas, das dir nicht gefallen würde, Bernice«, fügte er ernsthaft hinzu, »in Russland gibt es keinen Jazz.«
Unbeirrt raunte sie: »Aber dem Proletariat gehören die Produktionsmittel, was bedeutet, dass die Arbeiter nicht von den kapitalistischen Klassen ausgebeutet werden. Mit anderen das Klo zu teilen macht mir nichts aus. Und das mit den engen Wohnverhältnissen und den Warteschlangen und dass es keinen Jazz gibt, das kriegen die schon hin, sobald sie es vom Sozialismus zum richtigen Kommunismus geschafft haben. Hab ich nicht Recht, Schätzchen?«
»Das mit den Wohnverhältnissen und den Warteschlangen kriegen sie vielleicht geregelt. Mit dem Jazz bin ich nicht so sicher.«
»Ich wäre bereit, auf den Jazz zu verzichten, wenn ich dafür im sozialistischen Mutterland leben könnte«, sagte sie mit feierlichem Ernst. »Es ist natürlich nur hypothetisch, aber es ist wichtig für mich, Eugene. Also, nimmst du mich mit, wenn du zurückgehst, ja oder nein?«
Eugene sah ihr an, dass sie nicht lockerlassen würde, bevor sie nicht eine befriedigende Antwort bekam.
»Wir beide stehen unter Parteidisziplin, Bernice. Das heißt, selbst wenn Amerika kommunistisch wird, könnte es sein, dass die Zentrale nicht möchte, dass du deinen Posten verlässt. Die brauchen hier Leute wie dich.«
Bernice blickte kläglich drein. »Du willst also damit sagen, dass ich womöglich bis an mein Lebensende in Amerika bleiben muss?«
»Du und Max, ihr seid Frontkämpfer«, erklärte Eugene. »In einem kommunistischen Amerika wird man Straßen nach euch benennen. Mensch, wahrscheinlich kriegst du sogar einen hohen Führungsposten.«
»Zum Beispiel?«
»Bei dem, was du geleistet hast, könnte ich mir durchaus eine Position im Weißen Haus vorstellen.«
Ihre Miene erhellte sich. »Das sagst du doch nur, um mir zu schmeicheln.«
»Nein, großes Ehrenwort, ich halte das durchaus für möglich.«
Bernice drehte sich auf ihrem Hocker von Eugene weg, schüttelte lachend den Kopf und drehte sich wieder zu ihm zurück. »Ich sag dir jetzt was, das ich noch nie einer Menschenseele erzählt habe. Ich quatsche zwar ständig von der permanenten Revolution und der Diktatur des Proletariats und Ausbeutung und Entfremdung und dem ganzen Zeugs, aber im Grunde verstehe ich das alles gar nicht richtig.«
»Was bedeutet Kommunismus für dich, Bernice?«
Sie überlegte. »Für mich«, sagte sie schließlich, »ist Kommunismus der Widerstand gegen Gleichgültigkeit. Dass man mehr an andere denkt als an sich selbst.«
Eugene beugte sich vor und küsste sie auf den Mund. »Du bist eine tolle Waffengefährtin, Bernice.«
»Und du ein toller Waffengefährte, Eugene, Schätzchen.«
Der regelmäßige Umtrunk um halb sieben beim DCI verspätete sich. Etliche leitende Mitarbeiter der Company, darunter auch Leo Kritzky, waren im Weißen Haus aufgehalten worden, wo sie auf Vizepräsident Richard Nixon gewartet hatten, um ihn über die Lage in Ungarn zu informieren. Allen Dulles selbst hatte sich mit einem Team von Psychiatern der Company beraten, um eine
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