Die Dämonenfalle
Verkehrsfluss ein. Unter mir zog die Ostküste Afrikas vorbei, mit einer Schärfe und Deutlichkeit von beinahe schon traumartiger Qualität, perfekt aufgelöst, und doch unerreichbar fern. Während ich zusah, wie sie hinter dem Flieger allmählich dahinschwand, kamen die ganzen leidigen alten Gefühle wieder hoch und setzten mir zu. Obwohl ichmich auch nach dem Debakel mit dem Auslesen von Christines Erinnerungen nie dazu hatte durchringen können, den Fall Justin Ascham Raleigh offiziell zu den Akten zu legen, so hatte ich für mich selbst ganz gewiss einen Schlussstrich darunter gezogen. Einen so dicken, dass ich mich sogar nicht einmal daran erinnern konnte, meinem Cybershadow überhaupt den Befehl gegeben zu haben, die alten Verdächtigen zu taggen und im globalen Dataspace Ausschau nach irgendwelchen Statusänderungen zu halten.
Nichtsdestotrotz war mir an jenem Morgen, als mir die Information direkt nach dem Aufwachen ins Bewusstsein glitt, augenblicklich klar gewesen, dass ich sie unmöglich ignorieren konnte. Was hätte Francis dazu gesagt?
Ich hielt die Primärperzeption des Fliegers nach vorne gerichtet, während wir uns dem Portal näherten. Der Kreis aus exotischer Materie hatte einen Durchmesser von neunhundert Yards, der Rand eines Risses, der nur von einer Seite aus zu sehen war. Seine pseudostofflichen Wände glühten grün, wo sie die Grenzen der normalen Raumzeit überschnitten, und bildeten einen sich in mittlere Entfernung erstreckenden Tunnel. Zwei Reihen von Fliegern jagten in entgegengesetzten Richtungen durch das Innere des Portals, brachten Menschen zu ihren neuen Welten und zu erhofftem Glück.
Ich wünschte ihnen gutes Gelingen, denn das nächste Portal führte nach Nibeza, Tummelplatz einer der vom Vatikan unterstützten Gesellschaften, in denen Biononics einem unüberschaubarem Wust von einschränkenden Reglementierungen unterlagen. Im Grunde war ihr Einsatz auf medizinische Zwecke sowie die Bereitstellung von der Industrie benötigter Rohstoffe beschränkt, alles andere musste auf die harte Tour bewerkstelligt werden. Eine Gesellschaft, die für alle Zeiten auf dem Status quo der 1960er-Jahre eingefroren war, wo man die Menschen noch mit Arbeit von dummen Gedanken abhielt.
So gut wie die Hälfte der neuen Welten waren Variationen des gleichen Themas, der einzige Unterschied bestand quasidarin, in welchem Umfang ihren Biononics Anwendungsbeschränkungen auferlegt waren. Inzwischen gab es sogar schon ein paar deaktivierte Portale; dabei handelte es sich um die, welche benutzt worden waren, um die Restart-Welten zu besiedeln. Auf diesen Planeten gab es überhaupt keine Biononics, nicht einmal die Erinnerung an sie. Die neuen Bewohner hatten ihre Erinnerungen löschen lassen, waren bei ihrer Ankunft in dem Glauben aufgewacht, dass sie die Reise dorthin im Kälteschlaf zugebracht hatten, auf einem alten Kolonieschiff, das nur über einen Unterlichtgeschwindigkeitsantrieb verfügte und in den 1940er-Jahren von der Erde gestartet war. Auf diese Weise war es ihnen unbenommen, ihr Leben dort so fortzusetzen, als hätte es die Jahre dazwischen niemals gegeben.
Ich glaube, es war unsere größte Niederlage, dass so viele von uns nicht imstande gewesen sind, sich an die neuen Verhältnisse anzupassen, in denen jeder Gedanke ein kostbares Samenkorn ist, das zum Keimen gebracht werden will. Es waren der fehlende Wille, die mangelnde Zuversicht, die sie daran hinderten, in ihrem Denken den nächsten Schritt zu vollziehen. Die notwendige Anpassung war nichts, das sich mit simplen Umschulungskursen herbeiführen ließ, wie sie früher den Wellen des wissenschaftlichen Fortschritts unserer Spezies stets gefolgt waren. Es reichte nicht aus, einfach eine Zeitlang wieder die Schulbank zu drücken und sich ein paar neue Kenntnisse anzueignen. Um in der modernen Zeit weiterzukommen, musste man seine Einstellung ändern und das Leben aus einer völlig neuen Perspektive betrachten. Was für ein Trauerspiel, dass die großartige Gesellschaft, die wir uns zurechtgezimmert und über zwei Jahrtausende hinweg unermüdlich zu verbessern versucht haben, es trotz all ihrer Triumphe letzten Endes doch nicht vermocht hat, der Menschheit als Ganzem diese visionäre Beseeltheit zu bringen.
Doch wie man mir so viele Male gesagt hatte, verfügten wir jetzt über die Zeit zu lernen. Diese neue Phase unserer Existenz hatte gerade erst begonnen. Auf der Erde dort unter mir verschliefannähernd ein Drittel der älteren
Weitere Kostenlose Bücher