Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
Milch mit Honig zu trinken.«
»Ihnen geht’s wirklich wieder besser?«
»Mir geht’s hervorragend.«
»Kann ich irgendwas für Sie tun? Ein Kräutertee …?«
»Bleiben Sie mir vom Hals mit Ihrem Kräutertee! Nein, bei dem, was ich gerade … Oder doch, warten Sie. Ich suche einen Journalisten namens Steffen Wiegand oder Wieland.«
Sie zog die Stirn in Falten. »Wenn er Weilandt heißen würde, mit ei und dt …«
»Dann?«
»Stephan Weilandt ist fast zwanzig Jahre lang Chefredakteur bei der ›Rhein-Neckar-Zeitung‹ gewesen. Den Namen kennt in Heidelberg jeder.«
Die Welt ist ein Dorf und Heidelberg nur ein winziger Teil davon.
»Dann schaffen Sie mir den Mann ans Telefon.«
Jetzt strahlte sie wieder. »Geben Sie mir fünf Minuten.«
Den ehemaligen Chefredakteur ans Telefon zu bekommen, schien doch nicht so einfach zu sein. Ich hörte sie eine ganze Weile telefonieren, während ich Akten bearbeitete, Mails beantwortete, nebenher meinen Nachmittagscappuccino schlürfte und spürte, wie das Koffein meinen Blutkreislauf belebte. »Nicht mehr bei Ihnen?«, verstand ich einmal. Ein anderes Mal: »Tut mir sehr leid für Sie. Kann mir vorstellen, was da in einem vorgeht …«
Schließlich stand sie sichtlich enttäuscht wieder in der Tür. »Bei der Zeitung ist er schon seit Jahren nicht mehr.«
»Wahrscheinlich ist er längst in Rente.«
Sie zog eine traurige Grimasse, schüttelte den Kopf. »Sie waren auffallend zugeknöpft. Da muss irgendwas gewesen sein. Er ist erst zweiundsechzig.«
»Aber er lebt noch?«
»Es gibt eine Schwester. In Zürich. Mit der hab ich telefoniert, aber sie sagt, sie hat kaum Kontakt zu ihm. Sie hat nur gewusst, dass er jetzt in Bad Wimpfen wohnt. Mit einem Mann zusammen. Er ist … Sie wissen schon …«
Sie senkte den Blick, als wäre ihr der Umstand peinlich. »Seinen Partner habe ich auch erreicht. Marquard heißt er. Ganz schön pampig ist er gewesen, der Herr Marquard. Hin und wieder scheint’s auch bei Schwulen Ehekrisen zu geben. So bin ich jedenfalls schon lang nicht mehr runtergeputzt worden. Man kann doch schwul sein und trotzdem nett zu Frauen, oder nicht?«
Ich hielt den Hörer schon in der Hand.
»Wer?«, fragte Marquard mit eisiger Stimme. »Wer ist da?«
»Gerlach. Kripo Heidelberg.«
»Dann war das eben …?«
»Meine beste Mitarbeiterin.«
Meine beste Mitarbeiterin begann, bis über die Ohren zu strahlen, und hoffte vermutlich, ich würde ihren neuen Feind sofort zur Vernehmung vorladen.
»Ich habe nicht verstanden – was wollen Sie denn von Stephan? Diese Sache mit dem Unfall, das muss doch irgendwann einmal ein Ende haben. Stephen hat sich schuldig bekannt, er erfüllt seine Auflagen, er hat seine Strafe bezahlt. Was wollen Sie denn nun noch?«
»Es geht nicht um einen Unfall.«
»Nicht?« Kurze Pause. »Worum dann?«
»Um einen Todesfall, der dreißig Jahre zurückliegt. Eine junge Frau …«
»Damit hat Stephan ganz gewiss nichts zu tun.«
»Er steht nicht unter Verdacht. Ich würde nur gerne mit ihm sprechen, weil …«
»Stephan ist nicht zu sprechen. Weder für Sie noch für sonst jemanden. War nett, mit Ihnen zu plaudern.«
Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte er aufgelegt.
Inzwischen waren zwei SMS angekommen, stellte ich fest, als ich einen Blick aufs Handy warf. Eine von Doro, eine von Theresa. Doros Nachricht war kurz: »Hast du endlich mit ihnen gesprochen?« Die von Theresa war noch kürzer: »Heute Abend wie üblich?« Als ich gerade beginnen wollte, mit spitzen Fingern die Antworten zu tippen, wurde ich vom Telefon unterbrochen. Sönnchens Feind war am Apparat.
»Wenn es denn wirklich so wichtig ist – wir können uns unterhalten. Aber nur von Angesicht zu Angesicht. Und Stephan wird nicht anwesend sein.«
»Wann?«
»Wann es Ihnen passt. Ich bin eigentlich immer zu Hause.«
»Morgen ist Samstag.« Ich schätzte kurz die Entfernung. »Sagen wir um elf?«
An Doro schrieb ich: »Am Wochenende rede ich mit ihnen. Diesmal wirklich ganz fest versprochen.« An Theresa: »Freu mich!!!«
Freitagabend war Theresa-Abend. Und auch wenn wir erst am Vortag zusammengewesen waren – schöne Traditionen gehörten nun mal gepflegt.
Nachdem ich meinen Aktenstapel einige Zeit feindselig gemustert hatte, was ihn jedoch nicht zum Verschwinden brachte, klappte ich den dünnen Hängeordner zum Fall Viktoria Hergarden noch einmal auf. Betrachtete – ich weiß nicht, zum wievielten Mal – die Tatortfotos. Und entdeckte auch
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