Die dunkle Villa: Ein Fall für Alexander Gerlach (Alexander Gerlach-Reihe) (German Edition)
zur Not auch erst mal als Darsteller. Im Grunde war er wirklich nicht schlecht auf der Bühne. Er hat es nur gehasst, Text zu lernen und Anweisungen zu befolgen. Vicky wollte übrigens auch auf Teufel komm raus zum Film. Sie war ehrgeizig wie eine Rasierklinge. Vielleicht ist das die Erklärung.«
»Die Erklärung wofür?«
»He!«, rief sie. »Jetzt habe ich Sie! Sie sind ja überhaupt nicht dick! Sie sind … Sie sind Chef der Kriminalpolizei, ist das richtig?«
Offenbar saß auch Frau Kranich vor einem aufgeklappten Laptop.
»Wofür wäre Frau Hergardens Ehrgeiz die Erklärung?«
Simone Kranich wurde wieder ernst: »Marcel war seinerzeit als Regisseur für die zweite Staffel der ›Lindenstraße‹ im Gespräch. Bei der ersten Staffel hatte es Ärger gegeben, und noch bevor die Serie gestartet wurde, war klar, dass ein neuer Regisseur her muss.« Sie verstummte mit einem Seufzer, als sei sie vorübergehend in angenehmen Erinnerungen versunken.
»Ich sehe immer noch nicht den Zusammenhang.«
»Der Zusammenhang ist ganz einfach: Ich denke, er hatte Vicky versprochen, ihr eine kleine Rolle zu verschaffen. Und den Rest können Sie sich denken, wenn Sie über ausreichend schmutzige Phantasie verfügen. Bei Ihrer Stimme kann man als Frau wirklich ins Träumen kommen, Herr Gerlach …«
»Sie wollen andeuten, dass unter Schauspielern wirklich so lose Sitten herrschen, wie der gemeine Mann wie ich es sich vorstellt?«
»Na, Sie! Gemein klingen Sie ja nun gar nicht. Und was ich sagen will: Junge Schauspielerinnen tun fast alles, um voranzukommen. Einige Male mit einem Mann zu schlafen, ist da ein kleines Opfer. Und mit Marcel zu schlafen, war überhaupt kein Opfer. Wenn ich Ihnen erzählen würde, in wie vielen Betten wie vieler alter Säcke ich schon geschwitzt habe, Sie würden den Glauben an das Gute im Menschen verlieren. Obwohl, glaubt man als Kripochef überhaupt noch an das Gute im Menschen?«
In diesem Punkt konnte ich sie beruhigen.
»Marcel und Fred Hergarden waren also befreundet und haben im selben Haus gewohnt …«
»Und Freddy hatte schon länger den Verdacht, dass Marcel was mit Vicky am Laufen hatte. Er hat sie ja auch zu oft allein gelassen. Eine schöne Frau soll man nicht ohne Aufsicht lassen …«
Ich erzählte ihr von Hergardens Besuch bei mir und seiner merkwürdigen Selbstanzeige. »Haben Sie eine Erklärung dafür, dass er plötzlich behauptet, er hätte seine Frau umgebracht? Obwohl er zu der Zeit nachweislich im Irak war?«
»Freddy? Vicky umgebracht? Was für ein Unfug! Und weshalb denn? Zufällig weiß ich, dass Vicky ihren Bettgeschichten ein Ende machen wollte. Wir haben uns zwei oder drei Tage vor ihrem Unfall am Theater getroffen. Ich meine, wir hätten gerade die Maria Stuart geprobt. Vicky war nicht engagiert. Sie hatte die Dummheit begangen, mit dem damaligen Intendanten Streit anzufangen. Trotzdem hat sie regelmäßig vorbeigeschaut und herumgeschnüffelt in der Hoffnung, wieder ins Geschäft zu kommen. Manchmal wird jemand krank. Oder erleidet einen Unfall. Aber dann hatte sie ja selbst diesen schrecklichen Unfall.«
»Und bei dieser Gelegenheit hat sie Ihnen erzählt, sie wollte ihr Verhältnis beenden?«
»So direkt nicht, nein. Sie hat durchblicken lassen, dass Freddy mächtig Stress macht. Und dass er nicht ganz unrecht hatte mit seinem Misstrauen. Dass ihr Leben ein wenig aus dem Ruder gelaufen war und dass sie aufräumen muss. So hat sie es ausgedrückt, das weiß ich noch: dass sie aufräumen muss.«
»Hergarden hat also nichts Genaues gewusst?«
»Er hatte nur einen mehr oder weniger begründeten Verdacht. Zwei, drei Wochen zuvor war er für einige Tage in Heidelberg gewesen. Auf Heimaturlaub, sozusagen. Und bei dieser Gelegenheit müssen die beiden Hübschen sich tüchtig in die Wolle gekriegt haben. Freddy hat Vicky vermutlich auf den Kopf zugesagt, was er denkt, und aufs fotogene Mäulchen gefallen war sie ja nun nicht. Dass Fred in Bagdad sitzt, hat sie ihm vorgeworfen, und es sich gut gehen lässt, und dass es da ja wohl auch hübsche Frauen gibt, auf die eine Fernsehkamera Eindruck macht. Am Ende haben dann groß Versöhnung gefeiert, und wie er Vicky das nächste Mal gesehen hat, da war sie schon tiefgekühlt.«
»Noch mal zu diesem Marcel – wie hieß er eigentlich mit Nachnamen?«
»Graf. Marcel hat gerne den Schurken gegeben. Das war seine Paraderolle. Mein Fach war damals die junge Naive. Heute spiele ich meist die alte Naive.« Ihr Lachen
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