Die Ehre der MacLaughlins (German Edition)
und in die Lowlands
oder gar nach England wird Dòmhnall mit Sicherheit nicht gehen. Warum also
nicht eine fremde Kolonie, die einst von Schotten gegründet wurde? Wir werden
dort viele Gleichgesinnte finden, die nach Culloden über den großen Teich
fliehen.“
Bekümmert
runzelte Marion die Stirn. „Das weiß ich alles selbst, Kind. Und auch, dass uns
nach dem Aufstand nur die Flucht bleibt, ist mir bekannt. Aber ich liebe
Dòmhnall so sehr, dass ich ihn nicht überreden kann, seine Heimat bald zu
verlassen.“
„Es
ist auch Ewans Heimat, Mom“, erwiderte Joan mit belegter Stimme, „und das
seiner Geschwister, Kinder, Neffen und Nichten. Für alle wird es schwer sein,
Schottland zu verlassen – und zwar auf dem schnellsten Wege, nachdem die
englische Armee gesiegt hat. Du, Robin und ich können diesen Schmerz nicht
richtig nachvollziehen, weil wir nicht in den Highlands geboren und
großgeworden sind. Aber für all die Menschen, deren Vorfahren die Clans
gegründet, Dörfer errichtet und Burgen gebaut, Land bebaut und sich immer wieder gegen die englischen
Könige zur Wehr gesetzt haben, ist dieses Land unersetzbar. Sie werden sich im
Exil entwurzelt fühlen und viele werden nie wieder glücklich sein können ...
aber eines kann ihnen niemand nehmen – den Stolz, echte Highlander zu sein.“
Marion
blinzelte ihre Tochter erstaunt an; es kam nicht häufig vor, dass Joan so
leidenschaftlich sprach. Aber im Gegensatz zu den anderen im Clan, die nicht
ahnten, was auf sie zukam, hatte sie sich schon oft Gedanken über das ‚Danach’
gemacht. Eigentlich schon, seit sie im Jahre 1731 Ewan MacLaughlin kennen- und
liebengelernt hatte.
„Noch
bleibt uns etwas Zeit, und vielleicht kann sich auch Dòmhnall mit dem Gedanken
anfreunden, auszuwandern“, sagte Marion schließlich. „In zwei Jahren werden wir
die Bekanntschaft des Prinzen machen; ich muss gestehen, dass ich etwas neugierig
auf ihn bin.“
„In
dem Edinburgher Stadtarchiv sah ich einige Gemälde von Bonnie Prince Charlie.
Er ist herausgeputzt wie ein Franzose mit gepuderter Perücke und Spitzenjabot
und -manschetten. Ewan meinte, dass er sehr weibisch aussieht, aber ich konnte
nichts darüber finden, ob er vielleicht schwul ist. Im Gegenteil, später wird
man ihm nachsagen, dass er in jungen Jahren ein Schürzenjäger war. Wenn er alt
ist, wird er übrigens wie eine kranke Qualle aussehen, denn auch solche Gemälde
gab es in Edinburgh.“
Ein
amüsiertes Lächeln huschte über Marions Lippen; doch dann wurde sie wieder
ernst und fragte: „Wird das Jahr 2018 wirklich so schlimm werden, wie du es
geschildert hast?“
Betrübt
nickte Joan. „In Edinburgh werden grauenvolle Zustände herrschen, Mom. Und
nicht nur in dieser einst beschaulichen schottischen Stadt ... überall auf der
Welt wird es Armut und mehr Verbrechen geben als je zuvor.“
„Wie
schrecklich. Was würde wohl aus uns beiden werden, wenn wir heute noch in
London leben würden?“
Darüber
hatte ich auch Joan bereits Gedanken gemacht. „Die Agentur besteht nicht mehr,
erzählte mir Ted am Telefon. Im Marketingbereich gibt es keine Arbeit mehr, und
so vermute ich, dass ich am Rande des Existenzminimums leben würde – so wie du
und die meisten anderen Briten.“
Marion
erschauerte sichtlich, und sie sah sich wieder in der Küche ihres gemieteten
einfachen Häuschens in Totton. Sie war so verzweifelt gewesen, weil der Mann,
von dem sie geglaubt hatte, er würde sie lieben, belogen hatte, weil sie zu
allem Übel auch noch ihre Arbeit verloren hatte und der Vermieter ihr gekündigt
hatte, weil sie die Miete nicht mehr hatte zahlen können. Danach war sie zu
einer Freundin geflüchtet, wo Robin Lamont sie ein Jahr später schließlich
gefunden und mitgenommen hatte.
„Ich
erinnere mich daran, dass ich Tabletten schlucken wollte, nachdem ich die
Kündigung für das Haus erhalten hatte“, sagte Marion nachdenklich. „Aber dann
hörte ich deine Stimme und ließ es bleiben. Das hat mir das Leben gerechnet,
mein Kind.“
„Ceanas
Amulett hat diese Séance ermöglicht“, gab Joan leise zurück, denn auch sie
erinnerte sich noch genau an den mittlerweile völlig eingestürzten Broch ,
von dem aus sie einige Male zu ihrer Mutter in der Zukunft hatte sprechen
können. „Ich werde das Amulett aufbewahren, so lange ich lebe.“ Natürlich hatte
sie es auf der letzten Zeitreise wieder bei sich getragen, und nun lag es in
der untersten Schublade einer Wäschekommode zwischen ihren
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