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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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sind, ich habe da auch etwas für Euch, Bruder Risby. Jemand, den Ihr vielleicht kennt, Bischof Cranmer, genießt neuerdings die Gunst des Königs. Was haltet Ihr von ihm?«
    »Ich denke …« Risby machte eine längere Pause, so als müsste er seine Worte sorgfältig abwägen. Die Wolken hatten sich drohend am Horizont hochgetürmt, und es war ein böiger Wind aufgekommen. Er fuhr durch die Blätter über ihren Köpfen und zerrte am Tischtuch. »Ich denke, Thomas Cranmer ist nicht unbedingt ein Freund von Königin Katherine.«
    Ein großer Regentropfen platschte mitten in die Puddingschüssel.
    »Ich glaube, über unseren Köpfen bricht gleich ein Unwetter los«, sagte Thomas und erhob sich. »Wir sollten die Warnung lieber ernst nehmen. Jeder nimmt etwas vom Tisch mit«, rief er und ergriff die Servierplatte mit dem Lamm.
    Der Franziskaner schnappte die Puddingschüssel und folgte Sir Thomas auf dem Fuße. Die Gesellschaft erreichte das schützende Haus gerade noch rechtzeitig, bevor der Himmel seine Schleusen öffnete.
    An diesem Abend brannten die Lampen in Sir Thomas’ Studierzimmer noch bis tief in die Nacht hinein. Zur Schlafenszeit klopfte Alice leise an die Tür.
    »Geh schon zu Bett, Alice. Ich werde unseren Gast zu seinem Zimmer bringen.«
    Alice war sich sicher, dass ihr, kurz bevor sie geklopft hatte, der Name Elizabeth Barton ans Ohr gedrungen war. Das Verbot, in diesem Haus Klatsch und Tratsch jeder Art zu verbreiten, galt offensichtlich nicht für den Herrn von Chelsea.

25

    Wenn jene Dinge, die ich geschrieben habe, wahr sind und Gottes Wort nicht widersprechen, warum sollte Seine Majestät, der über eine so ausgezeichnete Kenntnis der Heiligen Schrift verfügt, mich dazu bewegen wollen, irgendetwas zu tun, was sich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren lässt?
    William Tyndale auf das Angebot des Königs, ihm bedingte Amnestie zu gewähren.
    D er August verging in hektischer Aufregung. Tyndale war endlich im Haus der englischen Kaufleute eingetroffen, und John arbeitete voller Begeisterung mit ihm zusammen an der Übersetzung des Alten Testaments. Kate verbrachte mehr Zeit als ihr lieb war bei Mistress Poyntz, wo sie meist über ihre zerfledderte Stickerei gebeugt saß. Kates armes Einhorn ähnelte inzwischen mehr einem missgestalteten Esel, aber sie wollte in Johns Nähe sein, der sich nach seiner Arbeit im Kontor der Hanse jeden Abend außer dienstags und donnerstags ins Englische Haus begab, um dort den berühmten Übersetzer zu unterstützen.
    Kate wusste, dass ihr Mann in Oxford studiert hatte, aber sie empfand es als überaus befriedigend, dass ein so berühmter Mann wie William Tyndale ihren Ehemann um seine Mitarbeit bat. Die Männer arbeiteten stets bis spät in die Nacht, debattierten sogar beim Essen darüber, welches Wort der ursprünglichen Bedeutung am nächsten kam.
    »Einfach, mein Lieber. Es muss einfach sein! Es handelt sich um die Heilige Schrift und nicht um Vergil. Ein einfacher Bauer kennt ein so großartiges Wort nicht, Frith. Hebt Euch die klassischen Anspielungen für Eure nächste Streitschrift auf. Mit Eurer Gelehrsamkeit könnt Ihr More und seine Kumpane ärgern.« Dann hatte Tyndale gelacht, so als ginge es bei More und seinen Kumpanen um einen gewöhnlichen gelehrten Wettstreit und nicht um Leben und Tod.
    John gab stets nach, gut gelaunt und ohne Widerspruch. Kate fand, dass sein Respekt vor Tyndale manchmal schon fast an Vergötterung grenzte.
    »Er ist nicht Jesus Christus, John«, sagte sie einmal zu ihm, als sie wieder in ihrem kleinen Atelier waren. »Auch du bist brillant. Biete ihm Paroli. Ich fand das Wort, was du gewählt hast, viel besser als seins.« An das Wort, um das es bei der heutigen Debatte gegangen war, erinnerte sie sich schon gar nicht mehr, und sie hoffte, dass er nicht genauer darauf eingehen würde.
    »Er mag zwar nicht Christus sein, aber er hat Christus in sich. Mehr von Christus als jeder Mann der Kirche, den ich kenne. Weißt du, was er an den Dienstagen und den Donnerstagen macht, während ich im Kontor bin? Er geht in die ärmsten Viertel der Stadt, um den Hungrigen und Leidenden etwas zu essen oder einen warmen Kittel zu bringen.«
    »Ist das nicht gefährlich? Was ist, wenn er gesehen wird?«
    »Er sagt, dass niemand weiß, wie er aussieht. Er ist schlau, verschmilzt mit der Menge. Er zieht seine Kappe tief ins Gesicht, schlägt den Kragen hoch und klettert, wenn er das Haus verlässt, über die Gartenmauer hinter der Kapelle, nur

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