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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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Holzschnitzer und Zimmerleute hämmern hören, die an der großen gewölbten Decke der königlichen Kapelle Tag und Nacht arbeiteten. Auch hatte man bereits mit der Vergoldung einiger Balken begonnen. Nirgends sonst im Palast spürte Anne in der Kapelle den Einfluss ihrer lutherischen Gesinnung. Sie hasste deren Protzigkeit. Die Schlichtheit des Altars in ihrem Schlafgemach war ihr weitaus lieber. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, ihre Gebete auf dem Platz der Königin zu sprechen, ganz vorn auf dem sich vorwölbenden Balkon über der Hauptkapelle. Sie stellte sich Katherine vor, wie sie auf diesem erhöhten Platz saß, Gebete murmelte und dabei Tränen vergoss, die auf den geschmückten Altar hinter dem Lettner fielen.
    »Ich habe diese Teppiche nicht abhängen lassen, weil sie mich an den Kardinal erinnern«, sagte Heinrich. »Vor allem der mit dem Motiv von Petrarca: Der Triumph des Ruhms über den Tod. Wolsey wird bald selbst herausfinden, ob das stimmt.«
    »Ist der Kardinal denn krank?«
    »Ich weiß nicht, wie es gegenwärtig um seine Gesundheit bestellt ist, aber er wird gerade wegen Verrats verhaftet.«
    »Verrat! Wolsey? Der mächtige Kardinal, der mit seiner Arroganz ganz England verspottet hat?« Sie wollte noch »selbst den König« hinzufügen, verkniff sich diese Worte jedoch.
    »Ich bezweifle, dass er jetzt noch zum Spotten aufgelegt ist.«
    »Was wirft man ihm vor?«
    »Prämunire.«
    Anne konnte den Kardinal nicht ausstehen. Tatsächlich freute sie sich sogar über seinen Sturz; solange Wolsey lebte, würde sie sich bei Hofe niemals sicher fühlen. Allerdings fand sie es beunruhigend, wie schnell Heinrich sich gegen jene Menschen wendete, die ihm noch vor kurzer Zeit nahegestanden hatten: zuerst seine langjährige Königin und jetzt sein getreuer Freund und Ratgeber. Und die Anklage, Prämunire, hatte etwas Nebulöses an sich, kam ihr irgendwie an den Haaren herbeigezogen vor. Natürlich hatte der ehemalige Kanzler beste Verbindungen nach Rom. Schließlich war er Kardinal. Aus genau diesem Grund hatte Heinrich ihn ja auch unbedingt als Kanzler haben wollen – weil er Einfluss beim Papst hatte. Ihm dies jetzt zum Vorwurf zu machen, erschien ihr ungerecht.
    »Wird ein solcher Vorwurf vor dem Parlament nicht schwer zu beweisen sein?«, fragte sie.
    »Nein, wir haben gewisse Papiere abfangen können … Dokumente, die ein päpstlicher Gesandter mit sich führte … der Wein hier ist sauer …« Er spuckte ihn in den Becher. Kleine rote Tropfen spritzten auf das weiße Leintuch. »Bringt mir einen anderen Wein, und werft dieses Fass weg«, rief er dem Mundschenk zu. »Wolsey vermittelte beim Friedensschluss zwischen dem Papst und Frankreich. Und das wird ihn jetzt den Kopf kosten. Und wir werden sehen, ob der Ruhm wirklich über den Tod triumphiert.«
    Wie leicht er Wolsey fallen lässt, dachte sie. So als hätte es zwischen ihnen nie eine Beziehung gegeben. Aber was bedeutete das für sie? Ihr größter Feind war gefallen, und das war gut so.
    »Da wir schon von Kanzlern sprechen«, sagte Anne und ermahnte sich, den Sturz eines einzigen Feindes nicht allzu laut zu bejubeln, da sie noch so viele andere hatte. »Ich sehe, dass auch Master More nicht hier ist.«
    »Sein Vater ist plötzlich erkrankt.« Heinrich gab dem Truchsess einen Wink. »Bringt diesen Berg Trauben weg. Es heißt, Sir John More sei durch ein Übermaß an Trauben erkrankt.«
    »Dann sollte er bald wieder genesen«, sagte Anne und betrachtete die Trauben, während sie sich wünschte, sie hätte sich davon genommen, bevor der König sie abzutragen befohlen hatte. Sie sah der entschwindenden Platte nach. »Ich habe noch nie gehört, dass irgendjemand an einem Übermaß von Trauben gestorben ist«, sagte sie. »Vielleicht war es ja auch ein Übermaß an Rebensaft.«
    Heinrich lachte schallend. Die Höflinge in seiner Nähe stimmten sofort ein. Anne entging jedoch nicht, dass Brandon nicht lachte.
    »Sir John More ist als überaus disziplinierter Mann bekannt, der in keiner Weise zu Exzessen neigt. Ein Mann von tadellosem Charakter und klarem Urteilsvermögen«, bemerkte Brandon durchtrieben.
    »Wie der Vater, so der Sohn. Würdet Ihr mir da nicht zustimmen, Mylord Suffolk?«, fragte Anne.
    »So ist es.«
    Heinrich sah finster drein.
    »Ich kenne den Vater kaum, aber das Urteilsvermögen des Sohnes könnte man durchaus manchmal anzweifeln«, brummte er, jedoch so leise, dass die anderen es nicht hören konnten. Anne hielt sich

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