Die Entlarvung
Mistkerl. Die beiden hatten sich untereinander abgesprochen, aber dahinter bin ich erst später gekommen. Sobald er das Lager verlassen hatte, haben sie offen zusammengelebt.«
»Hat sie ihm zu einer Ausbildung verholfen?« erkundigte sich Ben. »Ich habe irgendwo gelesen, daß sie ihm einen Englischlehrer besorgt hat?«
»Hm – ja doch, das hat sie. Sie hat riesige Summen für ihn ausgegeben. Sie hat ihn eingekleidet, hat Zigaretten für ihn besorgt – sie ist selbst an mich herangetreten und hat nach Players gefragt, weil er diese Marke so gerne rauchte! Und wie er sich plötzlich verändert hatte, stimmt's, Gerda?«
»Ja, allerdings«, bestätigte seine Frau. »Er war arrogant, gierig und unverschämt. Er hat die arme Frau erniedrigt, wo er nur konnte. Ihr schien das jedoch zu gefallen. König hat sich in aller Öffentlichkeit damit gebrüstet, wie ergeben ihm seine reiche englische Geliebte sei und daß sie alles für ihn tun würde. Alfred hat versucht, ein ernstes Wort mit ihr zu reden. Er hat sich bemüht, ihr klarzumachen, daß sie ins Lächerliche gezogen wurde, daß der Mann sie ausnutzte. Und was hat sie dir geantwortet?«
»Sie hat gesagt, daß sie noch nie so glücklich gewesen sei und daß ich ihren Hans nicht verstehen würde. Er sei jung und voller Leben. Und sie sei sich hundertprozentig sicher, daß er sie liebe. Schließlich hat sie mir noch mitgeteilt, daß sie ihn heiraten wolle und mit ihm nach England gehen würde.«
Major Grant seufzte. Die Erinnerung an die Vergangenheit schien ihn zu erschöpfen. Für einen Augenblick herrschte Stille. Mrs. Grant warf Julia einen Blick zu, als wolle sie sagen: Das ist genug, bitte.
Julia erhob sich und sagte: »Major Grant, wir wollen Sie nicht länger aufhalten. Nur eine Frage habe ich noch: Hat sie ihn tatsächlich geheiratet?«
»Ja«, antwortete er. »Leider. Sie war eine Zivilistin, verstehen Sie? Daher konnte ich nichts unternehmen, um sie aufzuhalten. Sie hat König sechs Monate nach seiner Entlassung aus dem Lager geheiratet, hat ihre Stelle bei der UNRRA aufgegeben und angekündigt, daß sie mit ihrem Mann nach England gehen würde. Wenigstens hat sie sich von mir verabschiedet. Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, war sie sehr glücklich und hat von ihrer Zukunft mit König geschwärmt. Sie wollte mit mir in Kontakt bleiben. Aber ich habe nie wieder von ihr gehört.«
»Herzlichen Dank, Sir.« Ben schüttelte Grants zerbrechliche Hand. »Sie haben uns sehr geholfen.«
»Schreiben Sie gemeinsam an dem Buch?« wollte der Major wissen.
»Wir arbeiten zusammen, ja«, erwiderte Ben.
»Auf Wiedersehen, Major Grant, und alles Gute für Sie«, verabschiedete sich Julia. Der alte Mann wirkte entkräftet und schien sich kaum noch wachhalten zu können. Im Flur wandte Julia sich an seine Frau: »Ich hoffe, das Gespräch war nicht zu anstrengend für ihn. Er sah auf einmal so müde aus.«
Gerda Grant schüttelte den Kopf. »Er ist alt, ich bin alt – das ist alles. Zum Glück haben wir unsere beiden Söhne und unsere Enkelkinder, die uns Kraft geben. Es ist für Alfred nicht immer leicht gewesen, mit einer Deutschen verheiratet zu sein. Aber wir lieben uns, das ist die Hauptsache.«
»Wie hat sie eigentlich ausgesehen – Phyllis Lowe meine ich?«
»Sehr hübsch, sehr elegant. Sie war eine richtige Dame, vornehm, gebildet und König in jeder Hinsicht überlegen. Leider war sie auch mit Blindheit geschlagen, mit extremer Blindheit. Ich frage mich, was aus ihr geworden ist, nachdem sie nach England gegangen ist.«
»Das frage ich mich auch«, entgegnete Julia. »Auf Wiedersehen und vielen Dank. Bleiben Sie beide gesund.«
Schweigsam gingen sie zu ihrem Wagen zurück. Ben setzte sich ans Steuer und ließ den Motor an.
»Also«, meinte er schließlich, »wenn das keine Neuigkeiten sind.«
»Kein Wunder, daß wir keine Sterbeurkunde gefunden haben«, bekräftigte Julia. »Wir müssen das gleich noch einmal überprüfen lassen, denn wir haben einfach unter dem falschen Namen nachgesehen. Und, Ben, wir müssen die anderen beiden Teams informieren. Laß uns schnell zum Hotel zurückkehren. Ich rufe von dort aus an.«
»Er hat sie geheiratet«, murmelte Ben, während er aufs Gaspedal trat, »um in England leben zu können. Aber warum diese Lügerei? Was hat er zu verbergen, X?«
»Mehr, als daß er eine Frau an der Nase herumgeführt hat, die eigentlich alt genug war, um es besser zu wissen. Sehr bequem für ihn, daß sie an Krebs
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