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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Grodstein
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schwul ist oder wenn er beschließt, nicht zu heiraten,oder wenn er keine Kinder haben möchte, wirst du ihn akzeptieren, weil er unser Sohn ist, und ihn genauso lieben. In Ordnung?«
    »Ihn akzeptieren oder mich darüber freuen?«
    »Dass du nicht darüber freuen wirst, weiß ich«, sagte Elaine. »Versprich mir bloß, dass du dich nicht lächerlich machen wirst, nicht alle Bande kappst oder sonst was Verrücktes anstellst.«
    »Er ist mein einziges Kind«, sagte ich. »Ich kappe doch nicht alle Bande, niemals.«
    »Gut«, sagte sie, und wir fuhren weiter. In Korsika war es rauh, feucht und unwegsam. Der junge Napoleon wuchs umgeben von Felsklippen und einer stürmischen See auf. Schon als kleines Kind war er wild, stur, ein Draufgänger. Erst als wir die letzte Ausfahrt nach Hartford hinter uns gelassen hatten, merkte ich, dass Elaine genau genommen den Streit für sich entschieden hatte.
     
    Bei all dieser Sorge um Alecs Sexualität und sein Liebesleben und bei meiner womöglich übereilten Fixierung darauf, ob er uns Enkelkinder schenkte, würde man doch meinen, dass es mich freute, als ich eines Sonntagmorgens vor zehn Monaten, ich war sehr zeitig aufgestanden und wollte in die Halle fahren, dumpfe Geräusche und Raunen aus seinem Zimmer dringen hörte. Ein eigenartiges dumpfes Wummern, Rascheln, Brummeln, und noch in dem Moment, bevor ich es wirklich kapierte, dachte ich, es seien Waschbären hinter der Wand.
    Bumm. Bumm. Lachen.
    Und dann machte es klick. Ich stand im Flur und hörte, wie mein Sohn so leise wie möglich mit jemandem schlief, und mir kroch eine grässliche, entsetzliche Kälte über den Leib.
    Noch mehr Lachen. Noch mehr Bumm-bumm.
    In unserem Haus? Musste er das in unserem Haus tun?Stocksteif stand ich da und lauschte. Ich hatte Turnschuhe an, meine Shorts. Kam mir vor wie ein Narr, ja, genau so – als mache er einen Narren aus mir, hier, in meinem eigenen Haus, wo er mit Laura Stern schlief, der ältesten Tochter unserer besten Freunde, einer Mörderin, mit ihr in dem Bett schlief, das wir für ihn gekauft hatten, unter dem Dach, das wir für ihn gekauft hatten, in dem Zuhause, das wir für ihn aufgebaut hatten, wo er sein ganzes Leben lang gelebt hatte – wie wenig Respekt die beiden uns entgegenbrachten! Wir waren töricht, idiotisch, Überbleibsel einer anderen Zeit. Waren überflüssig. Er war die Zukunft. Und das machte er daraus.
    Ich blieb stehen, bis die Geräusche aufhörten. Dann rannte ich die Treppe hinunter und zum Haus hinaus, schlug krachend die Autotür zu und war so zeitig am JCC, dass ich die Halle für mich allein hatte. Ich verlor mich in dem Rhythmus von Ball gegen Hartholz, Ball gegen Brett, Ball, der durchs Netz rutschte und wieder auf dem Boden aufschlug. Ich dribbelte wie ein Wilder, warf Korb um Korb. Ich schwitzte mein T-Shirt durch, zog es aus und warf es auf die Tribüne an der Seite. Ich machte acht, neun, zehn Korbleger nacheinander. Ich sprang hoch und versenkte den Ball im Korb. Es fühlte sich toll an, deshalb machte ich es gleich noch einmal.
    Wenn man sich in körperlicher Bewegung verliert, kommt es manchmal vor – das ist nicht gewollt, sondern geschieht unweigerlich –, dass bei all dem Schweiß und dem Adrenalin Bilder oder Gefühle, die man seit Stunden oder sogar Tagen zu unterdrücken versucht hat, durch den Kopf schießen. Ich hatte das Visier offen. War machtlos. Ich dribbelte den Ball über das leere Spielfeld, da tauchte die Toilette der Stadtbücherei von Round Hill vor meinem geistigen Auge auf, und meine eigene Enkeltochter lag dort in der Schüssel, drei Monate vor dem Termin geboren, die Augen noch blind, verzweifelt ruderte sie mit den Ärmchen, darauf wartetend, dassirgendjemand sie rettete. Aber es wusste niemand, dass sie dort war. Laura Sterns rotes Haar blitzte in meinem Augenwinkel auf, als sie sich mit einem Hammer näherte, um meiner verzweifelten, schreienden Enkeltochter den Schädel einzuschlagen. Ich wollte mich selbst in das Bild stellen. Wollte das Baby aus der Toilettenschüssel greifen. Ich umschlang den Basketball mit beiden Armen, konnte aber in den Fortgang der Bilder, die ich im Geiste sah, nicht eingreifen. Im Toilettenraum der Bibliothek war ich nirgends zu finden.
     
    Immerhin, Alec war an der New School angenommen worden. Das rief ich mir ins Gedächtnis, während ich duschte, mich anzog, aus keinem bestimmten Grund über die Brücke fuhr und mich bei Fairway wiederfand, wo ich sonderbare Lebensmittel in meinen

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