Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
bedeckte Amra seinen Körper mit Küssen und erweckte sein Geschlecht erneut zum Leben. Schließlich zog sie Vaclavs Mantel über ihre beiden Körper, und Magnus schlief in ihren Armen ein. Er sollte nicht frieren, er sollte nie mehr frieren müssen. Amra war ganz erfüllt von Liebe, Zärtlichkeit und Fürsorge.
Sie sah noch eine Weile in die Dunkelheit, ließ die Erlebnisse des Tages erneut an sich vorbeiziehen. Darüber fielen ihr jedoch schnell die Augen zu. Auch sie musste ein wenig schlafen, um für den nächsten Tag erholt zu sein. Sie wollten früh aufbrechen, und vielleicht gelang es ihr ja, vorher noch etwas Essbares zu finden. Doch damit würde sie sich am kommenden Morgen beschäftigen. Vorerst wollte Amra nur alle Sorgen vergessen und endlich in Sicherheit sein.
»Ich glaub es nicht, die schlafen noch immer!«
In der tiefen, sonoren Stimme, die Amra weckte, schwang Belustigung mit.
»Oder seid ihr tot?«
Amra löste sich nur schwer aus ihren tiefen, glücklichen Träumen, aber dann bellte der Hund, und sie riss erschrocken die Augen auf. Auch Magnus war aufgewacht und tastete instinktiv nach seinem Schwert. Vergebens natürlich, Vaclavs Waffe lag bei den Pferden und den Sätteln.
Amra fuhr hoch und sah in ein breites, bärtiges Männergesicht, das entfernt an einen Bären erinnerte. Der Mann war nicht mehr jung, er trug eine kurze rote Tunika über zweifarbigen Beinlingen, und in seinen kleinen grünbraunen Augen blitzte der Schalk.
»Na also, sie bewegen sich ja. Habt ihr ein Glück, Kinder, dass wir ein so braves Volk sind und keine Mörder oder Diebsgesindel. Wir hätten euch sonst ausrauben können bis auf die nackte Haut.
»Wozu wir uns nicht mal hätten anstrengen müssen!«, kicherte eine Frau und wies auf den Kleiderstapel neben Amras und Magnus’ Lager.
Amra rieb sich die Augen und starrte die Frau verblüfft an. Träumte sie noch, oder hatte sie da wirklich eine Zwergin vor sich? Die Frau war nicht größer als ein fünfjähriges Kind, aber ganz klar erwachsen. Sie war untersetzt, genauso farbenfroh gekleidet wie der bärenhafte Mann, und auch sie wirkte nicht bedrohlich.
»Wer … wer seid ihr?«
Magnus richtete sich auf und tastete nach seiner Brouche, um seine Scham zu bedecken. Noch verdeckte Vaclavs Mantel seine und Amras Blöße, wie es aussah, würden sie beim Aufstehen jedoch mehr Zuschauer haben. Zwei weitere Männer und eine Frau hatten sich inzwischen rund um ihr Nachtlager versammelt. Neugierig und eher belustigt als unfreundlich betrachteten sie das Liebespaar.
»Graubart, mein Name!« Der bärtige Mann verbeugte sich übertrieben förmlich. »Und das ist Gesine«, er wies auf die Zwergin. »Goliath und Festa und Tiberius haben wir hier.« Amra bemerkte verwirrt einen riesigen Mann mit tiefschwarzer Haut, eine ungeheuer fettleibige Frau und einen kleineren, sehr schlanken Jüngling. »Unser Gladiator, die dickste Frau der Welt, und Tiberius ist Akrobat. Wir sind Gaukler, Bader, Musikanten, Huren … Wir reisen zusammen von Markt zu Markt. Das ist sicherer. Seht dort.«
Amra ließ den Blick über die am Tag zuvor noch so einsame Lichtung schweifen und fand sie voller Planwagen, Pferde und Maultiere. Ein paar Kinder balancierten über ein niedrig aufgespanntes Drahtseil, ein anderes ließ einen kleinen Hund durch einen Reifen springen.
Wuff schien schnell gemerkt zu haben, dass von dem bunten Trüppchen keine Gefahr ausging, und sah es wohl nicht als nötig an, Amra und Magnus zu verteidigen. Er strich um ein Feuer herum, auf dem zwei dralle junge Mädchen Brei kochten. Beide waren in grellbunte Mieder und Röcke gekleidet, schauten vergnügt zu Amra und Magnus hinüber und tauschten kichernd Bemerkungen aus. Amra und Magnus dämmerte es, dass sie sich zum Gespött der gesamten Gesellschaft gemacht hatten, indem sie den Aufbau des Lagers wie Kinder verschlafen hatten. Selbst Wuff hatte wohl erst angeschlagen, als die Gaukler näher gekommen waren. Er war ein friedlicher Geselle, im Kloster hatte man ihm zu häufiges Bellen schnell ausgetrieben.
»Wir … wir hatten einen ziemlich schweren Tag gestern«, versuchte Amra zu erklären.
Die Schausteller reagierten mit schallendem Gelächter.
»So sieht’s aus«, bemerkte Graubart mit Blick auf die nachlässig abgeworfenen Kleidungsstücke. »Aber es war ja wohl wenigstens schön. Und, meine lieben, jungen Freunde … habt ihr auch Namen, eine Herkunft und ein Ziel, das ihr uns nennen mögt? Man weiß doch gern, mit wem
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