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Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen - Fey, S: Gesichtslosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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« Sie quetschten sich zwischen die Menge, und ihr Vater redete so viel wie selten. Ganz gelöst wirkte er auf einmal. In Erinnerungen schwelgen war auch leichter, als sich mit Familienproblemen auseinanderzusetzen. Zwischen ein paar Ärmel und Handtaschen gedrängt, verstand sie nur Bruchstücke von ihrem Gespräch. Krallinger pflichtete allem bei, sprach kaum und so leise, dass sie nichts verstand. Als sie am Sendlinger Tor ausstieg, hielt ihr Vater sie am Ärmel zurück. »Ach, Carina. Wegen einer Wohnung, das ist doch nichts auf Dauer bei Wanda, sollen wir nicht gemeinsam suchen?«
    Sie staunte. Wusste er wirklich nichts von ihrer eigenen Wohnung? Aber woher kannte Clemens dann ihre Adresse?

23.
    Kinderklinik München-Schwabing, 1996
    Das Leben ihres Sohnes verdankte sie einer ganzen Kette von Rettern. Noch vom Wasser aus hatte sie Leuten zugerufen, die auf dem Isardamm vorbeiradelten. Die Radfahrer stoppten ein Auto, und der Fahrer verständigte den Notarzt, der ihren Sohn reanimierte. Wegen starker Unterkühlung hielt man in der Klinik seine Körpertemperatur weiterhin niedrig, so dass sein Gehirn weniger Sauerstoff verbrauchte. Wozu das gut war, begriff Rosa nicht, doch sie hatte keine Kraft zu fragen. Sein Atem rasselte, aber er lebte, von Maschinen umgeben und in Folie gepackt. Lou kam, Rosa weinte in ihren Armen. Lou ging wieder, und Rosa erwachte im Feldbett neben ihm. Es war still, das Rasseln hatte aufgehört. Erst wusste sie nicht gleich, wo sie sich befand, dann rannte sie hinaus und schrie nach der Schwester. Eine Lungenentzündung, vom brackigen Isarwasser vermutlich, stellte der Arzt fest. Das Fieber stieg von Stunde zu Stunde, auch war nicht klar, ob sein Gehirn geschädigt war. Rosa hatte das Gefühl, durchzudrehen. Ihre Glieder schmerzten, jeder Muskel brannte, sie wusste nicht, wie sie liegen, stehen oder sitzen sollte. Unablässig starrte sie auf das Blinken der Geräte. Mit irgendwas musste sie sich ablenken. Die Zeitung fiel ihr wieder ein; hätte sie nicht gelesen, wäre das alles nicht passiert. Schuld, eine Schuldige, schuldig, schrieben die Überwachungsmonitore in blinkenden Linien. Sie rannte aus dem Zimmer, tigerte den Klinikflur auf und ab, blätterte in Prospekten auf den niedrigen Tischen, sogar im Telefonbuch. Wieder im Krankenzimmer ging sie die alphabetisch geordneten Namen durch, las Spalte für Spalte und sagte sie auswendig nach, das ließ die Zeit vergehen. Einen Buchstaben des Münchner Telefonbuchs, danach den nächsten lernte sie auswendig. Bis K musste sie es schaffen, K wie Koch, Felix Koch oder Karkowsky, so hatte er sich in seinen Pässen genannt. Wenn es ihr gelang, bis dahin zu kommen, so flehte sie im Innern, dann wurde ihr Sohn gesund. Wenn er starb, würde sein Vater ihn nie sehen. Rosa rief die Auskunft an, fragte nach einem Teilnehmer in den neuen Bundesländern. Wenn sie keinen Ort wusste, erklärte die Telefonistin, durfte sie keine Nummer herausgeben. Blieb nur Julia, die ehemalige Kollegin im Innenministerium. Sie war dabei gewesen, als Rosa Felix kennenlernte. Sie rief im Ministerium an und wurde ins Chefsekretariat verbunden. Julia hatte erreicht, was sie immer wollte. Sie war ihre Nachfolgerin geworden. Ob sie auch einen Liebhaber in der Stasi gehabt hatte? Was war denn mit dem anderen, dem Freund von Felix gewesen, der schon so besoffen gewesen war? Rosa versuchte sich zu erinnern; hatte er nicht mit Julia getanzt?
    »Staatssekretariat, Herbig.« Ihre Stimme klang irgendwie anders.
    »Hallo Julia, Rosa Salbeck hier, ich brauche deine Hilfe.«
    Schweigen in der Leitung. Rosa glaubte schon, Julia hätte aufgelegt.
    »Was kann ich für Sie tun?«, sagte sie gespreizt.
    In Rosa gärte es, doch sie riss sich zusammen. Zu müde für Erklärungen, fragte sie einfach: »Kannst du dich noch erinnern, wie wir damals zusammen im Lehmann’s waren? Da haben uns zwei Männer angesprochen. Weißt du vielleicht, wo ich den, mit dem ich … der Löwengesichtige … wo ich den finden kann?«
    »Wer? Leider, ich kann Ihnen da … «
    »Die beiden aus Ustbayern, du erinnerst dich doch. Der eine, so ein schmieriger, verschwitzter Typ mit einer Wunde oder einem Pickel am Hals und der andere, so ein … « Sie stockte, wie sollte sie Felix noch deutlicher beschreiben, damit sich für Julia ein Bild ergab? Hatte er sich bei ihrer ersten Begegnung überhaupt mit Namen vorgestellt?
    »Sie müssen sich täuschen. Tut mir leid, Frau Salbeck, ich muss zu einer Besprechung, Sie

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