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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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ein paar Jahre das Leben der Riviera-Schickeria.
    – Aber es hat nicht gehalten? sagte Annick.
    – Nein, Lianne bekam es satt, sagte Gabrielle und kicherte wieder. Er war anscheinend gut im Bett, der reine Tiger, laut Lianne, und hielt Ordnung, kriegte sogar ein Omelett hin, wenn es darauf ankam. Aber was sie nicht aushielt, war, daß er so geheimnisvoll war, wollte kaum erzählen, wo er geboren war. Du weißt, die Verwandten sind ja wichtig für Chinesen, aber in den Jahren, die sie verheiratet waren, hat sie nicht ein einziges Mal jemanden aus seiner Familie getroffen. Außerdem kreiste sein ganzes Leben um Berger, sie hat gesagt, es war, als wäre er in einem permanenten Feldzug mit Berger als General. Sie war es, die glaubte, daß Louis Victor ein angenommener Name war und daß er in der Fremdenlegion gewesen war.
    Das Fax von Thomas Héger lag im Faxgerät, als Annick das Gespräch mit Gabrielle Rossi beendet hatte. Sie nahm das noch feuchte Papier mit hinauf zu Julie Wastia, und sie studierten zusammen das unscharfe Bild und die Bildunterschrift mit exotischen Namen wie Ingvar, Åke, Sten und Torbjörn. Julie runzelte die Stirn.
    – Dieser Name, sagte sie und zeigte auf die obere Zeile der Bildunterschrift, Juhász, ich habe ihn neulich irgendwo gesehen oder gehört. Er klingt nicht schwedisch, oder was meinst du?
    – Ich weiß nicht, sagte Annick zögernd, vielleicht eher osteuropäisch?
    Julie blätterte in der Akte, die vor ihr auf dem Schreibtisch lag, und zog mehrere Papiere heraus, die sie rasch durchsah.
    – Sieh mal hier, sagte sie eifrig und schob eine Seite zu Annick hinüber, ich habe es gewußt, es war im Verhör mit Nunzia Paolini. Einer der jungen Grubenarbeiter, die bei der Katastrophe 1956 starben, hieß Juhász. Und sieh hier, Fabien Lenormand fragte, wie dieser Name geschrieben wird, als er Nunzia Paolini am Montag abend anrief!
    – Aha, sagte Annick, aber was bedeutet das? Es ist nicht derselbe Vorname, der, der beim Grubenunglück starb, hieß Pisti, und der Typ auf dem schwedischen Foto heißt Istvan. Und Juhász, ist es tatsächlich ein Name, der so ungewöhnlich ist, daß er einem auffallen muß?
    Julie riß das Telefonbuch an sich, das im Bücherregal hinter ihr stand. Sie stellte schnell fest, daß es in der Region eine Handvoll Personen mit dem Namen Juhász gab, allerdings niemanden in Villette.
    – Aber es muß irgendwie wichtig sein, sagte sie, wir wissen, daß Fabien gefragt hat, wie Pisti Juhász seinen Namen schrieb, und der Name Juhász stand auf dem Bild, das er in der Hand hielt, als er ermordet wurde. Er hatte vermutlich die schwedische Zeitung gesehen, als er am Dienstag vormittag Nunzia Paolini anrief, glaubst du nicht? Vielleicht wurden bei dem Seminar, auf dem er in Brüssel war, schwedische Zeitungen verteilt.
    Annick fand, daß Julie Wastia ihre Begabung verschwendete, indem sie als Rechtspflegerin arbeitete. Aber mit ihrem Familienhintergrund wäre es wohl schwer gewesen, sich ein höheres Ziel zu setzen. Sie stimmte Julies Überlegung eifrig bei:
    – Und weil er gerade ein Buch über Grubenarbeiter schrieb und sich für Pisti Juhász interessierte, blieb er an dem Bild mit Grubenarbeitern hängen und reagierte auf den Namen in der Bildunterschrift, ja, so war es natürlich. Aber was bedeutet es?
    – Kann es ein Verwandter sein? sagte Julie versuchsweise, von Pisti Juhász, meine ich? Fabien Lenormand hatte vielleicht im Archiv herausgefunden, daß Pisti Verwandte in Schweden hatte. Obwohl ich nicht verstehe, warum das etwas sein sollte, weswegen man sich aufregen müßte, und noch weniger, weswegen man ermordet werden müßte.
    Sie nahm das Fax in beide Hände und starrte auf das unscharfe Bild, als könnte ihr Blick unter die Oberfläche dringen und das alte Foto dazu bringen, seine Geheimnisse zu enthüllen. Sie runzelte die Stirn.
    – Denn es kann wohl nicht derselbe Typ sein, sagte sie, Istvan und Pisti, meine ich?
    – Nein, sagte Annick, das kann nicht sein. Weil wir wissen, daß Pisti Juhász beim Grubenunglück 1956 starb.
    – Ja, sagte Julie, aber gerade deshalb hätte sich Fabien logischerweise aufgeregt, wenn er Pisti auf einem Foto wiedererkannt hätte, das mehrere Jahre später in Schweden aufgenommen worden war.
    Das klang außerordentlich unwahrscheinlich, besonders, weil das Bild von Pisti Juhász, das Julie in Nunzia Paolinis Büro gesehen hatte, so unscharf gewesen war, daß ihn noch nicht einmal seine Mutter darauf wiedererkannt hätte.

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