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Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Titel: Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Grue
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nicht leben. Bevor der frisch geschiedene Polizeibeamte überhaupt begriff, was vor sich ging, hatte John ihn dazu überredet, ihm die Deckadresse zu beschaffen. Und dann passierte das, was passiert ist. Philip starb, und Alice wurde so schwer verletzt, dass sie jetzt behindert ist.« Marianne leerte die Flasche. »Johns alter Kollege wurde natürlich mit Pauken und Trompeten vom Dienst suspendiert und verurteilt. Für Alice und Benjamin konnte das kein großer Trost mehr sein. Der Schaden war angerichtet, und er ist irreparabel.«
    Dan starrte Alice an. »Heißt das, du stehst jetzt nicht mehr unter Polizeischutz?«
    »Polizeischutz? Ach was!« Alice drückte die Zigarette aus und zündete sich eine neue an. »Was hat mir denn der Polizeischutz beim letzten Mal geholfen?«
    »Die beiden haben sich dieses Mal selbst ein neues Leben verschafft, Dan«, erklärte Marianne. »Die Sache mit dem Autounfall ist vor vierzehn Jahren passiert, John hat nur fünf davon abgesessen. Mit anderen Worten, es ist Alice und Benjamin gelungen, sich neun Jahre vor dem Schwein versteckt zu halten – ohne dass die Polizei ihre Hände im Spiel hatte.« Sie legte eine Hand auf Alices Arm. »Ich bin seit Jahren ihre Ärztin. Und selbst ich habe erst vor einigen Monaten die Wahrheit erfahren. So gut passen sie auf.«
    »Aber jetzt habt ihr es mir erzählt. Warum?«
    Benjamin und Marianne wechselten einen Blick. Alice hing schlaff auf dem Sofa, ihre Augen waren zugefallen, sie schien halb zu schlafen.
    »Mein Vater ist hier. Er ist hier in Christianssund«, sagte Benjamin dann. »Ich habe ihn gesehen, sogar schon drei Mal.«
    »Bist du sicher, dass er es war? Man verändert sich in vierzehn Jahren, und du warst erst neun oder zehn Jahre alt, als du ihn zuletzt …«
    »Er war es.« Benjamin schob das Kinn vor und sah trotzig aus. »Ich bin ganz sicher. Ich habe ihn mir zwischendurch sehr genau angesehen.«
    Seine Mutter schlug die Augen auf. »Was hast du?«
    Benjamin lachte hohl. »Kann schon sein, dass wir beide neue Namen und eine geheime Adresse haben, aber Vater ist noch immer derselbe John Peter Frandsen aus Århus.« Er zündete sich die zwanzigste Zigarette des Abends an. »Ich fand die Idee gut, ihn ein bisschen unter Beobachtung zu behalten. Ein paarmal im Jahr bin ich rübergefahren und habe ausgecheckt, was er so treibt.«
    Dan, Marianne und Alice schüttelten alle drei schockiert den Kopf. Es sah ziemlich einstudiert aus. »Bist du vollkommen verrückt geworden?«, fragte Alice.
    »Schon möglich, aber ich habe etwas herausgefunden. Ich weiß, wie dieser Motherfucker aussieht, und ich weiß, was für ein Auto er fährt. Das hat es mir wesentlich leichter gemacht, ihn zu beobachten. Begreift ihr das nicht?«
    »Vielleicht«, sagte Marianne. »Erzähl Dan von den drei Malen, an denen du deinen Vater hier gesehen hast. Es zeigt nämlich ausgezeichnet das Dilemma, in dem wir uns momentan befinden.«
    »Zuerst habe ich ihn vor drei Wochen gesehen, vielleicht ist es auch ein bisschen länger her. Ich sollte Lilliana wie gewöhnlich um Viertel vor fünf abholen. Sie wartet –
wartete
– immer auf dem Bürgersteig vor ihrer Haustür in der Jernbanegade. Auch dieses Mal. Aber kaum hat sie sich ins Auto gesetzt, kommt da ein Kerl an und hält die Wagentür fest, sodass sie die Tür nicht zumachen kann. Ich konnte nur seine Bauch- und Brustpartie sehen. Eine Wampe, die über den Rand einer Jeans quoll, ein rotes T-Shirt und eine braune Lederjacke. Irgendetwas kam mir bekannt an ihm vor, obwohl ich nur seinen Bauch sehen konnte, aber dann sagte er etwas, und ich erkannte seine Stimme sofort wieder.« Benjamin sah aus, als sänke er bei dem Gedanken ein Stückchen in sich zusammen. »Lilliana konnte nur wenige Worte Dänisch, verstanden hat sie aber eine ganze Menge. John sagte ›Ist Sally oben?‹, und sie schüttelte den Kopf. Er packte ihren Arm und fragte noch einmal, und sie schrie: ›Nein!‹ Dann ließ er sie los, und wir fuhren weg.«
    »Hat sie dir nicht erklärt, wer er war und warum er zu Sally wollte?«
    Benjamin schüttelte den Kopf.
    »Wieso bist du so sicher, dass er es war, wenn du sein Gesicht nicht sehen konntest?«
    »Ich hab’s gesehen, als wir wegfuhren. Ich habe ihn ganz deutlich im Rückspiegel gesehen. Bei dem kann man sich nicht irren.«
    »Hat er dich gesehen?«
    »Nicht bei dieser Gelegenheit, beim zweiten Mal dann schon, obwohl ich nicht glaube, dass er mich erkannt hat.« Er blickte auf seine Hände, wie

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