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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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aber nicht aus Einsicht, sondern aus Scham. Er würde Stillschweigen bewahren wegen dieses einen Augenblicks: in dem er, der Rebell, dem Kaiser gehorchte …

Ich sehe dich wieder
    Der Angriff war ohne Vorwarnung erfolgt. Aus dem Nichts waren die fremden Raumschiffe aufgetaucht und hatten sich der Raumstation genähert, ohne ein Erkennungszeichen abzugeben und ohne auf Anrufe zu reagieren. Und als die fliegenden Kampfroboter, die erste Verteidigungslinie der Station, das Feuer eröffneten, schossen die Fremden massiv zurück.
    Sie hatten sie in die Flucht schlagen können, und sie hatten sogar eines ihrer Raumschiffe schwer beschädigt. Aber es war damit zu rechnen, dass die Fremden zurückkommen würden. Die Schäden, die der Angriff an der Station hinterlassen hatte, mussten so schnell wie möglich repariert werden, damit sie ihnen das nächste Mal gewarnt und voll einsatzbereit gegenübertreten konnten.
    Ludkamon war zu Reparaturarbeiten in der Basissektion 39-201 eingeteilt worden, zusammen mit lauter gewöhnlichen Verladern, und er hasste es von Anfang an.
    Basissektion 39-201, eine flache, hallenartige Baueinheit, die als vollautomatisches Containerzwischenlager diente, war von einem Schuss getroffen worden und seither außer Betrieb. Man hatte die Beschädigung der Außenhülle repariert und die Sektion wieder mit Luft geflutet, aber sie funktionierte trotzdem noch nicht.
    »Alles herhören«, dröhnte der Leiter des Reparaturtrupps mit befehlsgewohnter Stimme. »Wir bilden Zweiergruppen und markieren alle Teile der Anlage, die nicht ordnungsgemäß arbeiten. Dann werden wir die Schwerkraft im Bereich reduzieren und die unzugänglichen Container von Hand entladen. Und das alles schnell, wenn ich bitten darf; das Tunnelschiff wartet!«
    Das Schott fuhr auf und gab den Weg frei in die riesige, düstere Halle voller Regale und Transportschienen, von denen manche verbeult oder angeschmolzen waren. Es roch kalt und staubig.
    Die Bildung von Zweiergruppen ging nicht auf, und Ludkamon zog alleine los. Es war ihm recht. Er konnte Verlader nicht ausstehen, nicht seit Iva …
    Er wollte nicht daran denken. Vielleicht war es ganz gut, dass er eine Aufgabe hatte, auf die er sich konzentrieren konnte. Er zog den Markierungsstift hervor und widmete sich hingebungsvoll der Prüfung der Rollstrecken: die Walzen mit der Hand anstoßen, auf das Geräusch des Laufs hören und sie wieder anhalten. Wo sich die Walzen nicht drehten oder das Laufgeräusch verdächtig war, malte er eine Markierung an die Seite.
    Und dann entdeckte er den umgestürzten Container.
    Es gab jede Menge umgestürzte Container in der Halle. Dieser aber war beim Beschuss von einem Rollband gefallen, ein zerfetztes Regal-Seitenteil hatte ihn erwischt, und der Deckel des Containers war dabei aufgeschlitzt worden wie von einem Dosenöffner.
    Ludkamon hielt den Atem an. Ein offener Container!
    Zeit seines Lebens hatte er sich gefragt, was diese Container wohl enthielten, die hier tagtäglich zu tausenden ankamen, um in die Tunnelschiffe umgeladen zu werden. Es war verboten, das zu wissen. Die Container – mannslang, mannsbreit und etwa hüfthoch – waren stets verschlossen und versiegelt. Und es kursierten die fantastischsten Gerüchte über ihren Inhalt.
    Ludkamon sah sich nach allen Seiten um. Niemand, der ihn beachtete. Ein Schritt nur, und er würde es wissen. Ein Schritt, und er würde den Zorn des Kaisers auf sich laden.
    Und wenn schon. Ein Schritt, und Ludkamon beugte sich über das klaffende Loch im Deckel des Containers.
    Ein ranziger, unangenehmer Geruch schlug ihm entgegen. Seine Hand tastete über etwas Weiches, Pelziges. Was er zu packen bekam und durch das Loch herauszog, sah aus wie eine dicke Decke oder ein dünner Teppich. Es schien genau die Abmessungen des Containers zu haben. Und der Container war voll davon.
    Teppiche? Merkwürdig. Ludkamon stopfte das weiche Ding zurück, so gut es ging.
    »Du wolltest doch nicht etwa gerade in den Container hineinschauen?« Eine dröhnende Stimme ließ ihn zusammenfahren.
    Ludkamon fuhr hoch. »Äh, nein«, stammelte er.
    Der Truppleiter stand vor ihm und musterte ihn argwöhnisch von oben bis unten. »Ich wette, doch. Ludkamon, deine Neugier wird dich irgendwann den Kopf kosten!«
    Der Arzt beugte sich über die klaffende Wunde, mit einem ungerührten, allenfalls leicht angewiderten Gesichtsausdruck und einer Bewegung, die deutlich verriet, dass er seine Anwesenheit hier für lästige Routine hielt.

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