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Die Hoffnung ist gruen

Die Hoffnung ist gruen

Titel: Die Hoffnung ist gruen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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auf die Lippen. Sie nickte schwach und folgte der Schwester zur Tür.
    Als sie direkt vor Haro stand, erkannte sie seine Augen, seine Nase, den Mund mit den wunderbaren weichen Lippen, die so zärtlich küssen konnten, dass Nele nach all den Jahren, in denen sie nun verheiratet waren, noch immer ganz schwindelig davon wurde.
    Sie wollte ihn so gerne berühren. Ihn streicheln, irgendetwas tun, damit er die Augen aufschlug, sie anlächelte und sagte: „Hallo Nele. Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe?“
    Als ob die Schwester ihre Gedanken erraten hätte, forderte sie Nele leise auf, näher an Haro heranzutreten und seine Hand zu berühren.
    Nele zögerte, schaute die Schwester unsicher an. Aber als sie das aufmunternde Lächeln in ihren Augen erkannte, trat sie ganz nah an Haro heran. Sanft streichelte sie seine Finger und das kleine Stückchen freie Haut, in das kein mit weißem Leukoplast beklebter Schlauch hineinführte.
    Haros Haut fühlte sich ganz warm und fest an, so als ob überhaupt nichts wäre. Als ob er einfach nur schlafen würde. Aber so war es ja auch: Haro schlief tief und fest.

    Sie wollte mich nicht zu ihm lassen. Behauptete einfach, dass nur Verwandte zu ihm dürften. Verdammter Dreck, ich war verwandt mit ihm. Ich war Haros Sohn. Ich hatte das der Tusse in ihrem steifen weißen Kittel mitten ins Gesicht geschrien, ich hatte sie beschimpft und beleidigt. Sie blieb cool.
    Später hatte ich gebettelt und noch etwas später sogar geflennt. Aber sie blieb stur. War einfach nur erbarmungslos.
    â€žNein! Außerdem wird er gerade operiert. Da darfst du sowieso nicht rein. Und dann kommt er auf die Intensiv. Und da haben nur Verwandte zutritt, wenn überhaupt. Das kommt auf seinen Zustand an.“
    â€žWie ist denn sein Zustand?“, krächzte ich angstvoll.
    Sie schüttelte den Kopf. „Ich darf dir keine Auskunft geben. Du bist kein Verwandter. Das hatten wir doch schon mal.“
    Ich hätte am liebsten meinen zweiten Nasenbeinbruch des Tages vollzogen, aber ich bekam keine Gelegenheit mehr dazu. Sie zog einfach die Tür von innen zu. Das war’s!
    In den nächsten Stunden sah ich sie nicht wieder. Ein paarmal öffnete sich die Tür, ein Arzt oder eine Schwester kam herausgeeilt und bedachte mich mit flüchtigen Blicken. Auf meine sich immer wiederholende Frage: „Können Sie mir bitte sagen, wie es Haro Bartels geht?“, wurde jedes Mal mit einem Kopfschütteln geantwortet.
    Dann, drei Stunden und ganz genau vierundzwanzig Minuten, nachdem sich die Tür hinter der erbarmungslosen Krankenschwester geschlossen hatte, stand auf einmal Nele vor mir. Ich hatte keine Ahnung, wie sie an mir vorbeigekommen war. Vielleicht war sie genau in dem Moment angekommen, als ich es gewagt hatte, kurz zur Toilette zu gehen.
    Ihr Gesicht war käseweiß und winzig klein. In all den Jahren, in denen Nele und Haro sich nun schon um Lisa und mich kümmerten, war mir noch niemals aufgefallen, was für ein kleines Gesicht Nele hatte.
    Ihre Augen traten dunkelrot in dem kleinen, weißen Gesicht hervor.
    Ihre Lippen bebten, als sie mit dünner Stimme sagte: „Haro hat die OP überstanden. Er ist aber noch nicht wieder bei Bewusstsein. Die Ärzte sagen, das kann dauern.“
    â€žW-was … ist mit ihm?“, würgte ich wie unter großen Schmerzen hervor.
    Nele atmete zitternd durch und ließ sich neben mir auf einen der Stühle sinken. „Sein Kopf. Er hat eine schwere Kopfverletzung. Die OP war sehr gefährlich …“ Nele versagte die Stimme. Ich legte den Arm um ihre Schulter und Nele ließ ihren Kopf gegen meine Brust sinken. So saßen wir eine Weile schweigend beieinander. Jeder zutiefst mit seinem Inneren beschäftigt.
    Nele fand als Erste Worte. Sie löste sich aus der Umarmung und schaute mich an. „Dein Pullover, er ist ja ganz feucht. Und deine Hand, sie blutet ja wieder etwas. Was ist geschehen?“
    â€žIch bin nass geworden. Aber das ist doch jetzt unwichtig.“
    Für mich war etwas anderes viel wichtiger. Etwas, das mich seit Neles Anruf fast in den Wahnsinn getrieben hatte. Sollte sich die Geschichte wiederholen? Ein zweites Mal tatsächlich wiederholen? Sollte ich wirklich erneut dafür verantwortlich sein, dass einem Menschen, der mir nahe stand, etwas Furcht-bares passierte? Sollte das Schicksal es so mies mit mir meinen und so etwas

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