Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
Lederschlinge ruhte. Er begann zu trinken, als müsste er ein Feuer löschen, das in seinen Eingeweiden brannte. Als Corvis den Mann hereinkommen sah, fiel ihm wieder ein, dass er am Tag zuvor ebenfalls in der Schenke gewesen war. Er hatte alleine in einer Ecke gesessen und literweise Met in sich hineingeschüttet. Er war da gewesen, und Corvis hätte mit ihm reden können, wenn er es gewusst hätte.
Ihm die Geschichte zu entlocken war da schon deutlich schwieriger. Corvis löste dem Mann mit vielen Runden Met die Zunge und ließ einen kleinen, golden glänzenden Stapel Münzen auf dem Tresen vor sich liegen, die diesmal allerdings echt waren. Nur für den Fall, dass die ganze Geschichte länger dauerte, als eine Illusion üblicherweise hielt. Dennoch war es am Ende nicht Corvis, der herausbekam, was sie wissen wollten, sondern Irrial. Mit ihrer heiseren Stimme und den roten Locken, die ihr ins Gesicht fielen, beugte sie sich zu dem »mutigen Krieger« hinüber. Sie keuchte entsetzt auf, als sie seinen verletzten Arm bemerkte, und ihre Augen wurden feucht, als er von seinen gefallenen Kameraden berichtete.
Erst als sie – ebenso wie Corvis, der völlig fasziniert am Nebentisch saß und jedes Wort in sich hineinsog – die ganze Geschichte gehört hatte, gingen sie und ließen Korporal Tiviam alleine mit seinen Bemühungen, die Erinnerungen wegzuspülen. Als sie ihn das letzte Mal sahen, hatte er den Kopf über ein Trinkhorn gebeugt, das er fast bis zur Neige geleert hatte. In dieses Gefäß murmelte er immer und immer wieder die letzten Worte, die er zu Irrial gesagt hatte.
»Er hätte jederzeit verschwinden können. Er hätte sie nicht alle umbringen müssen.«
Corvis und Irrial drängten sich durch die Menschenmenge auf dem belebten Marktplatz, wichen immer wieder Frauen und Männern aus, die noch schnell einkaufen wollten und hofften, ein Geschäft abschließen zu können, bevor die Verkäufer ihre Waren zusammenpackten. So spät am Abend waren die Geräusche von Denathere zwar etwas gedämpfter, aber ansonsten unverändert. Corvis musste gegen den Drang ankämpfen, sich die Finger in die Ohren zu stecken und damit hin und her zu wackeln, um ein Hindernis zu beseitigen, von dem er wusste, dass es reine Einbildung war.
Jedenfalls war es einige Minuten lang weit angenehmer, als nachzudenken.
Er ließ sich widerstandslos von Irrial zu ihrem Quartier führen. Ihre Räume lagen im dritten Stock einer Herberge, die weit netter war als die Schenke Drei Laken. Die Baroness hatte sie selbst ausgesucht, und das konnte man sehen. Aber Corvis war so sehr abgelenkt, dass er sich niemals an den Namen der Herberge hätte erinnern können, selbst wenn sein Leben davon abgehangen hätte. Erst als sie in einem der beiden Schlafgemächer waren, das mit kirschrot gepolsterten Stühlen, Daunenmatratzen mit sauberen Leinenlaken und sogar einer Messinglampe mit nach Jasmin duftendem Öl ausgestattet war, kroch er zögernd unter seiner gemütlichen
mentalen Decke hervor und konzentrierte sich auf die Geschichte, die Tiviam ihnen gerade erzählt hatte.
»Ich glaube, wir müssen davon ausgehen«, sagte er völlig unvermittelt, »dass die Person, die hinter dieser ganzen Geschichte steckt, weit mehr über mich und meine Methoden weiß, als wir bisher angenommen haben.« Es bereitete ihm durchaus Unbehagen, diese Erkenntnis laut auszusprechen, und er hoffte, dass seine Stimme nicht bebte. Als das letzte Mal jemand mit ausführlichen Informationen über die Vergangenheit von Corvis Rebaine aufgetaucht war, hatte er gerade die ganze Nation in Stücke geschlagen und beinahe sogar Mecepheum zerstört.
Von Corvis’ Familie ganz zu schweigen …
Seilloah sprang auf den Tisch, schnüffelte unglücklich an der funkelnden Lampe und nickte kurz, bevor sie an etwas kaute, das zwischen ihren Klauen klemmte. »Sehr wahrscheinlich eine ausgesprochen zutreffende Vermutung«, bestätigte sie.
Irrial dagegen klang weniger überzeugt. »Warum? Was an der Geschichte des Korporals bereitet dir Kummer? Mal abgesehen von dem Gedanken, dass jemand noch bösartiger sein könnte, als du es früher warst?«
»Es ist eine Kombination aus verschiedenen Details«, erwiderte Corvis, den zum einen das Verhalten der Katzenhexe und zum anderen Irrials verbaler Seitenhieb irritierten. »Die Männer, die in diesem Haus durch etwas gestorben sind, das so aussah wie Khandas Seelenfraß, nämlich das rote Glühen, das Tiviam beschrieben hat …« Er trommelte mit
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