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Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht

Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht

Titel: Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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saß immer noch auf dem Miniatursofa mir gegenüber. Es sah aus, als lachte sie mich aus.
    Ich merkte, dass die Musik nicht aus diesem Zimmer kam, sondern aus einem anderen Raum an der Südseite des Cottage. Also zog ich mich zurück und schlich immer im Schatten an der Front des Cottage entlang zur anderen Seite. Wieder schaute ich mich um, bevor ich vorwärts ging. Ich wollte mir sicher sein, dass niemand anders dort draußen wartete, um über mich herzufallen.
    Die Hecken an dieser Seite standen etwas dichter am Cottage, so dass ich mich sehr vorsichtig bewegen musste, um nicht an einem Zweig hängen zu bleiben. Ich erreichte die Fenster, kauerte mich hin und hob langsam den Kopf. Durch die gazeartigen Vorhänge sah ich eine Gestalt im Bett und eine weitere, größere auf der Bettkante sitzen. Ich bewegte den Kopf ganz langsam auf den schmalen Spalt zwischen den Vorhängen zu.
    Leute sagen oft, wenn etwas sie ängstigt, ihnen gefriere
das Blut. Es sei, als ob Eiswürfel sich in der Magengrube bildeten und Wellen eiskalter Luft die Adern entlangkrochen und das Blut erkalten ließen, so dass dein Herz sich anfühlte, als sei es von dünnen Eisschichten bedeckt. Diese Beschreibung verstand ich jetzt. Genau das widerfuhr mir nämlich.
    Es war mein Großonkel Richard, der auf dem Bett saß und ein Kinderbuch in den Händen hielt. Er trug einen Samtmorgenmantel über seinem Pyjama. In einem kleinen Rüschennachthemd, das überall mit Schweinchen, Eichhörnchen und Kaninchen bedruckt war, lag Mary Margaret im Bett. Sie lutschte an einem ziemlich großen, runden roten Lutscher. Ihre Augen waren weit aufgerissen, als sei sie fünf Jahre alt und hörte eine äußerst faszinierende Geschichte. Neben ihr auf dem Nachttisch lief eine Spieluhr. Das Zimmer selbst war ohne jede Frage für ein kleines Mädchen eingerichtet. Die rosa-weiße Tapete war mit Zeichentrickfiguren bedruckt, auf Regalen saßen noch mehr Puppen, dort stand ein kleiner malvenfarbiger Schreibtisch mit einem Stuhl und darunter ein rosa Teppich. Alle Bilder an den Wänden stammten aus Kinderbüchern und--filmen. Auf der Frisierkommode lagen eine kleine Bürste und ein Kamm, daneben standen ein paar Parfümflakons.
    Das Fenster stand ein wenig offen, so dass ich hören konnte, was gesagt wurde, wenn ich mich hinunterbeugte.
    Großonkel Richards Stimme hob und senkte sich,
als er mit viel Übertreibung die Geschichte einer kleinen Ente vorlas, die zu weit weg von ihrer Mutter in den Wald gewandert war und jetzt verzweifelt versuchte, den Weg nach Hause zu finden.
    »Ihr schwaches quack , quack hallte in der Dunkelheit um sie herum wider«, sagte er. »Sie plusterte ihre Federn auf und rannte schnell, ohne zu wissen, dass sie in die falsche Richtung lief. Plötzlich hörte sie eine Eule und blieb stehen, um hochzuschauen.
    ›Hu?‹, sagte die Eule. ›Ich heiße Dolly und ich habe mich verirrt‹, sagte Dolly. Sie wusste nicht, dass Eulen immer nur ›hu‹ sagen … Ist das nicht lustig, Heather?«, fragte er Mary Margaret.
    Ich schaute sie an.
    Mary Margaret nickte heftig und zog dabei den Lutscher aus dem Mund.
    »Ja, Daddy«, sagte sie. Nach einem gezwungenen Kichern steckte sie den Lutscher wieder in den Mund.
    »Möchtest du den Rest der Geschichte noch hören, oder bist du müde?«, fragte er.
    Sie zog den Lutscher heraus.
    »Ich will den Rest hören, Daddy«, sagte sie.
    Großonkel Richard lächelte und fuhr fort.
    ›Hu?‹, sagte die Eule. Dolly wiederholte ihren Namen und sagte ihr, dass sie sich verirrt hatte. Sie wartete. Die Eule machte wieder ›hu, hu, hu‹.
    ›Warum hörst du mir nicht zu?‹, sagte Dolly wütend. ›Ich habe dir doch gesagt, wer ich bin‹.Aber die Eule erwiderte nur ›hu‹. Da rannte Dolly weiter, bis
sie ein Zischen hörte. Sie blieb stehen und spähte in die Dunkelheit. ›Wer ist da?‹, fragte sie. Ein weiteres Zischen ertönte. Langsam ging sie weiter«, las Großonkel Richard, und dann legte er seine Finger auf Mary Margarets Arm und tat so, als wären sie kleine Füße, die schrittweise zu ihrer Schulter hinaufmarschierten. Sie kicherte.
    »Plötzlich«, las Großonkel Richard, »schoss eine Schlange unter einem Stein hervor. Sie streckte die Zunge heraus. ›Das ist ganz schön ungezogen‹, sagte Dolly zu ihr. Sie zischte wieder und schlängelte sich auf sie zu.« Großonkel Richards Hand fuhr unter die Decke. Mary Margaret quietschte und sprang im Bett hoch. Dann sah sie aus, als würde sie anfangen zu weinen.

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