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Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume

Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume

Titel: Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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wie viel Zeit und Mühe sie investiert hatte, die Ehe meiner Mutter zu untergraben. Ich stellte mir vor, sie war wie Jago in Othello, flüsterte Grant wilde Gedanken ein, erinnerte ihn an meine Existenz und die dunkle Nacht von Brodys unnötigem Tod. Genau wie sie mir Negatives über meine Mutter erzählte, musste sie Grant mit Bildern von Megan als verzogenem Mädchen voll gestopft haben, die immer jemanden hatte, der ihre Patzer kaschierte und sie davor bewahrte, irgendetwas zu bedauern.
    »Sie musste nie ohne Fallschirm abspringen, Megan doch nicht«, hatte Tante Victoria sich einmal bitter bei mir beklagt, und jetzt bestimmt bei Grant.
    Grant liebte meine Mutter bestimmt sehr, wenn er ihr ihre Vergangenheit verzieh, ihr nicht die Schuld am Tod des Sohnes gab, wollte, dass sie sich erholte und ihre Ehe fortsetzte. Angesichts dieser Entschlossenheit mussten Tante Victorias heimtückische Bemerkungen und giftige Einflüsterungen völlig wirkungslos sein. Vielleicht hatte Grant schließlich gesehen, wer und was sie war, und sie ohne viel Federlesens abgewiesen. Wenn sie ihn jetzt überhaupt erwähnte, war es stets bitter, stets bezog sie sich auf die Dummheit und den Egoismus, den alle Männer teilten, stellte ihn immer dar als bereitwilliges Opfer der kleinen Betrügereien
meiner Mutter. Ihre Beschreibungen von ihm hatten sich so radikal gewandelt – vom Mann ihrer Träume, dem Mann, den sie behauptete zu verdienen und der sie verdiente, zum Vollidioten, der an der Nase herumgeführt wurde -, dass Grant sie bestimmt scharf und entschieden zurückgewiesen haben musste.
    Zurückgewiesen und weggeschickt, lenkte sie jetzt ihren gehässigen Blick auf mich, weil sie in mir die Ursache all dessen sah. In ihrer verdrehten Logik ging sie so weit, zu dem Schluss zu gelangen, dass meine Mutter Grants Liebe aus Mitleid zurückgewinnen konnte – eine Liebe, die Tante Victoria sonst für sich errungen hätte -, weil ich zurückgekehrt und Brody getötet worden war.
    »Ich kenne meine Schwester gut«, sagte sie bitter. »Sie wusste, dass Grant blind sein würde für ihre grundlegenden Schwächen, wenn sie vorgab, schwach und krank und von Reue erfüllt zu sein. Sie ist froh, dass du hier bist, froh, dass du verkrüppelt bist, und noch froher, dass du all diese Probleme geschaffen hast. Das bietet ihr noch mehr Gelegenheiten zu stöhnen und zu weinen. Ich frage mich, wie oft Grant dazu bewegt worden ist, ihre Krokodilstränen wegzuküssen und sie zu drängen, nicht traurig zu sein, und ihr zu versprechen, dass morgen alles besser werde.«
    In diesem Stil redete Tante Victoria während der ersten Tage, nachdem sie ins Haus gezogen war, immer weiter. Völlig ungläubig hatte ich dagesessen
und vom Rollstuhl aus zugeschaut, wie zwei Männer, die sie engagiert hatte, ihre Sachen hereintrugen. Dazu gehörten nicht nur Kisten voller Kleidung und persönlicher Gegenstände, sondern auch Kartons voller Akten, die sie in Großvater Hudsons altes Arbeitszimmer brachten. Sie übernahm es vollkommen und ließ Büromaschinen, Faxgeräte, Kopierer und ihren Computer aufstellen. Oben zog sie in ihr ehemaliges Zimmer.
    Ich wollte meinen Anwalt anrufen und mich darüber beschweren, hatte aber Angst, das würde sie wütend machen, was sie womöglich am armen Austin und seinem Onkel ausließ.
    Am gleichen Tag, an dem sie einzog, engagierte sie ein neues Hausmädchen, das aber nicht im Haus wohnte. Die neue Frau hieß Mrs Churchwell und war Mitte fünfzig, eine Witwe, die nach dem Tod ihres Mannes mit so wenig Geld zurückblieb, dass sie kaum überleben konnte. Deshalb übernahm sie Teilzeitarbeiten. Sie war mürrisch, hatte graubraunes, kurz geschnittenes Haar, die Strähnen dünn und hart wie Draht. Ihre grauen Knopfaugen waren stets wässrig und die Falten, die sich in ihr dünnes, blasses Gesicht eingegraben hatten, erinnerten eher an Narben, weil sie so tief und willkürlich über Kinn und Wangen verteilt waren, dass sie wie Kratzer und Risse in ihrer dünnen, kränklichen und fast durchscheinenden Haut aussahen. Sie war so groß wie Tante Victoria, und wenn beide nebeneinander im schwach beleuchteten Flur
standen, ließen die fast nicht zu unterscheidenden Figuren Mrs Churchwell wie den Schatten Tante Victorias wirken.
    Von Anfang an war es klar, dass Mrs Churchwell panische Angst vor meiner Tante hatte, sie zufrieden stellen und den Job und das offensichtlich großzügige Gehalt auf jeden Fall behalten wollte. Tante Victoria hatte jedoch

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