Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman
Leopardenfell-Imitation bezogen, und er wußte, daß das kein echtes Fell war. Emsig, mit hoch erhobenem Schwanz, schnüffelte er die Säume ab, berührte mit der Pfote die Nähte und faßte hinter die Sitzkissen. Er hatte hinter Sitzkissen schon einige denkwürdige Entdeckungen gemacht: Cocktail-Cracker, Büroklammern, zusammengefaltete Geldscheine, Bleistifte und kleine Kleidungsstücke. Jetzt buddelte er so eifrig, daß ihm Qwilleran zu Hilfe kam. Er nahm eines der Sitzkissen weg, und da – in dem Spalt zwischen Sitzfläche und Rückenlehne – steckte ein kleines goldenes Schmuckstück.
»Braver Kater!« sagte er. »Schauen wir uns das mal an.«
Es war ein feingliedriges Kettchen aus miteinander verbundenen, ziselierten Scheiben, doch der Verschluß war kaputt. Auf einer der Scheiben war in Kursivschrift eingraviert: ›Für Dianne.‹ Auf einer anderen stand: ›Von Ross.‹ Auf den anderen standen Ziffern: 2-1-1-3-1, 2-1-1-2, 2-1-1-1-1 und so weiter. Offenbar war das ein Geheimcode, den die beiden verwendeten.
»Okay, genug Aufregung für heute abend«, sagte Qwilleran, »aber morgen werden wir ein paar Nachforschungen über den Vorfall am Labor Day anstellen.«
Am Dienstag morgen rief Qwilleran Jefferson Lowell in der Firma Grinchman & Hills an. Er lud ihn zum Mittagessen in den Presseclub ein, und der Architekt sagte zu. Der Presseclub war von einem geheimnisvollen Nimbus umgeben, und die meisten Leute waren begeistert, wenn sie eingeladen wurden.
Bevor er frühstücken ging, hörte er sich den Wetterbericht im Radio an. Er erfuhr, daß Beamte des Rauschgiftdezernats bei einer Razzia zweiundfünfzig Verdächtige verhaftet hatten, daß ein Richter wegen Bestechung angeklagt worden war und daß eine Kältewelle im Anzug war.
Als er aus dem Haus gehen wollte, hielt ihn die Verwalterin auf. Sie sagte: »Entschuldigen Sie den Wirbel gestern abend. Mrs. Button ist sehr alt und manchmal etwas verwirrt.«
»Ich verstehe das schon, Mrs. Tuttle.«
»Im Vorjahr hatte sie einen Herzanfall, und die Sanitäter mußten sie mit Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung wiederbeleben. Am nächsten Tag beschuldigte sie die Männer, sie hätten sie vergewaltigt. Die Sache kam sogar vor Gericht, wurde aber natürlich abgewiesen.«
»Ich bin froh, daß Sie mich warnen«, sagte Qwilleran. »Das nächste Mal lasse ich sie fallen.«
Wenn Mrs. Tuttle einen Sinn für seinen trockenen Humor hatte, so zeigte sie es nicht. »Außerdem wollte ich Ihnen noch sagen, Mister Qwilleran, daß einige von unseren Mietern Wohnungen saubermachen – Leute, die von der Sozialhilfe leben, wissen Sie. Die sind froh, wenn sie etwas zu tun haben und sich ein bißchen was dazuverdienen können. Wenn Sie jemanden brauchen, der Ihnen in Ihrer Wohnung hilft, sagen Sie es mir.«
»Darauf werde ich zurückkommen«, sagte er. »Aber schicken Sie mir nicht Mrs. Button.«
Dann ging er in die Innenstadt. Es war ein schöner Tag zum Spazierengehen – für eine Großstadt: Eine leichte Brise verteilte die Abgase der Autos, Lastwagen und Dieselfahrzeuge. Unterwegs aß er Pfannkuchen und Würstchen, wobei er feststellte, daß sie doppelt so teuer waren wie ein ähnliches Frühstück in Pickax und daß die Würstchen nicht halb so gut schmeckten. In Moose County gab es Schweinezuchten und unabhängige kleine Fleischhauereien, die ihre eigenen Würste herstellten. Er war verwöhnt.
Beim Daily Fluxion überwand er den Sicherheitskordon und wurde in die Bibliothek eingelassen, wo er nach Zeitungsausschnitten über den Bessinger-Mord fragte. Im Mikrofilmarchiv fand er drei Artikel; der erste stammte vom Tag nach dem Labor Day. Der Name des Opfers war in jedem Artikel anders geschrieben, doch das war nichts Ungewöhnliches beim Daily Fluxion.
MORD UND SELBSTMORD
ERSCHÜTTERN KUNSTWELT
Der gewaltsame Tod einer Kunsthändlerin und eines Künstlers Sonntagnacht, offenbar Mord und Selbstmord, haben der hiesigen Kunstwelt und den Bewohnern des Casablanca einen Schock versetzt.
Diane Bessinger, fünfundvierzig, Mitbesitzerin der Bessinger-Todd-Galerie, wurde am Montagmorgen in ihrer Penthaus-Wohnung mit durchschnittener Kehle aufgefunden. Zuvor war die Leiche von Ross Rasmus, fünfundzwanzig, einem Künstler, den D. Bessinger betreute, auf dem Parkplatz unter der Terrasse der Ermordeten auf einem Autodach entdeckt worden.
Rasmus hatte offenbar ein reumütiges Geständnis an die Wand geschmiert und war dann in den Tod gesprungen. Er landete auf dem Dach eines Autos,
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