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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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freut sich ganz gewiss noch mehr, Euch wiederzusehen.«
    Johanna führte Wolfgang die Treppe hinauf. Der blinde Wirt wandte den Kopf in ihre Richtung. »Zu einer Übernachtung sollte es hier aber nicht kommen«, meinte er. »Nicht, dass ich für gewisse Dinge kein Verständnis hätte, aber wenn ich auch nur den Anschein erweckte, dem hiesigen Frauenwirt Konkurrenz zu machen, bedeutete das großen Ärger für mich! Der würde nicht mal davor zurückschrecken, einen Blinden zu schlagen! Habt Ihr gehört, hoher Herr?«
    Wolfgang bejahte, ging die Treppe hoch, blieb auf dem oberen Treppenabsatz aber stehen und blickte noch einmal zurück. »Dieses Haus ist kein Aufenthaltsort für Euch«, meinte er an Johanna gewandt.
    »Es ist das, was für uns im Augenblick das Beste ist«, gab sie zurück.
    Als sie schließlich vor der Tür der kleinen Kammer standen, klopfte Johanna. »Grete! Es ist hoher Besuch für dich da!«
    Grete öffnete, sah Wolfgang an und wollte etwas sagen. Aber ihr Mund blieb offen, ohne dass sie sprach. Sie setzte zweimal an, und zweimal kam nichts weiter als ein heftiges Atmen über ihre Lippen.
    »Ich weiß, ich habe mich etwas verändert – auch wenn so viel Zeit gar nicht vergangen ist, als wir uns das letzte Mal sahen, so ist doch sehr viel geschehen.«
    »Wem sagt Ihr das, Wolfgang?«, murmelte Grete nun mit belegter Stimme. »Ich würde Euch gerne hereinbitten, aber Ihr seht ja, wie eng und ungastlich es hier ist!« Sie richtete notdürftig ihr Haar und fühlte sich unbehaglich in ihrem Aufzug, der natürlich während der Reise sehr gelitten hatte. »Aber vielleicht«, fuhr sie fort, »ist es doch besser, sich hier zu unterhalten als unten im Schankraum, wo uns ein ziemlich neugieriger blinder Wirt zuhören würde, der garantiert jedes Wort behält und sich dann Dinge zusammenreimen könnte.«
    »Ich bin jedenfalls sehr froh, Euch wiedergefunden zu haben, Grete.«
    »Habt Ihr von den Ereignissen in Lübeck gehört?«
    »Es gibt Gerüchte, aber das ist jetzt nicht so wichtig.«
    »Unser Vater ist gestorben.«
    »Das weiß ich. Und es heißt, dass man ihn schlimmer Dinge verdächtigt und Johanna einem flüchtigen Hochverräter und Mörder in Köln zur Flucht verhalf. Aber ich glaube kein Wort davon.« Wolfgang wandte sich nun noch einmal an Johanna. »Hier in Stralsund seid ihr in jedem Fall sicher. Man beugt sich hier weder den pommerschen Herzögen oder irgendwelchen anderen Fürsten noch den unsinnigen Beschlüssen des Landtages oder irgendwem sonst. Und schon gar nicht würde man jemanden nach Lübeck ausliefern. Bei aller Bündnistreue nicht!«
    »Da wäre ich mir nicht allzu sicher«, widersprach Johanna. »Ich habe in den letzten Wochen gesehen, wie schnell sich der Status eines Menschen, einer Familie, eines Hauses verändern kann. Im Handumdrehen geschieht das, wenn es jemand wirklich darauf anlegt. Und dann steht man plötzlich vollkommen schutzlos da.«
    Wolfgang ergriff plötzlich Gretes Hände. Es geschah so schnell und entschlossen, dass sie gar nichts dagegen tun konnte – und vielleicht wollte sie das auch nicht. »Es kann dir nicht entgangen sein, dass ich dich schon seit langem sehr mag, Grete«, sagte er und sprach nicht mehr förmlich mit ihr, wie er es zuvor getan hatte. »Ich bin aus Lübeck nicht nur deshalb fortgegangen, weil sich mir eine einmalige Möglichkeit bot. Ich hatte vielmehr den Eindruck, etwas Neues beginnen zu müssen. Ein neues Leben, da ich keine Hoffnung mehr sah, dass unser beider Wege vielleicht doch noch zusammenführen könnten.«
    »Jetzt tun sie es«, sagte Grete. »Allerdings unter ganz anderen Umständen, als sich das irgendjemand von uns erhofft hätte!«
    »Ich muss dich warnen: Ich bin nicht Pieter van Brugsma der Jüngere, der irgendwann einmal der Erbe eines immensen Vermögens geworden wäre. Ich werde mir alles selbst erarbeiten müssen, und das, was ich bereits habe, ist nur ein Bruchteil dessen, was du gewohnt bist.«
    »Diese Dinge sind nicht mehr so wichtig für mich«, sagte Grete. »Nicht nur du hast dich verändert. Das gilt für uns alle.«
    »Auf jeden Fall werden du und deine Schwester keine einzige Nacht in diesem finsteren Rattenloch verbringen!«
    »Aber …«
    »Das Haus, das mir Berthold Metzger zur Verfügung gestellt hat, ist nicht so groß, wie du es aus Lübeck gewohnt bist – aber es ist Platz genug dort. Und was Jeremias und Hintz angeht: Ich brauche dringend ein paar Hände, die mir helfen – und zuverlässige

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