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Die Landkarte der Finsternis

Die Landkarte der Finsternis

Titel: Die Landkarte der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Mund und tönt, von schier selbstmörderischer Sturheit getrieben, drauflos:
    Â»Sie sind nur ein armseliger Wicht, Gerima.«
    Der Offizier wirft den Kopf in den Nacken und bricht in dröhnendes Gelächter aus, dann verwandelt sich sein Gesichtsausdruck zu einer Fratze, aus der der blanke Hass spricht, und er packt Bruno bei der Gurgel.
    Â»Okay, jetzt hast du deine Show abgezogen, jetzt kannst du mal die Ohren spitzen und mir zwei Sekunden lang zuhören: Ich bin kein Betrüger, ich bin ein Krieger. Du bist keine Dosenration, du bist Kriegsbeute. Und du gehst jetzt schön brav in deine Kühlkammer zurück und bist so artig wie ein Kohlkopf, bis dich der Koch da wieder rausholt. Und wenn es dir je einfallen sollte, hier noch mal den Spartakus-Aufstand zu mimen, dann hänge ich dich, das schwör ich bei Gott und all seinen Heiligen samt ihren blöden Gläubigen, an den Klöten auf, bis du zu Staub zerfällst.«
    Â»Ich bin keine Kriegsbeute, und Sie sind weiter nichts als ein Schieber schlimmsten Kalibers.«
    Eine der Wachen macht Miene, auf ihn einzuschlagen, aber der Hauptmann hält sie mit dem Finger zurück, beugt sich über Bruno und sagt:
    Â»Wir sind im Krieg, du kleines Arschloch. Und meinen Krieg, den führe ich, wie es mir passt.«
    Â»Quatsch! Ihr plündert, vergewaltigt, massakriert arme wehrlose Leute, entführt Ausländer und erpresst Regierungen, die nicht das Geringste mit eurem Saustall zu tun haben …«
    Â»So ist das eben im Krieg!«, schreit der Offizier mit sprühendem Speichel … »Was wisst ihr in Europa schon vom Krieg? Das Fernsehen serviert euch zwischen zwei Werbespots ein paar Schlaglichter, während ihr behaglich im Wohnzimmer sitzt, an eurem Aperitif nippt und euch mit euren Geliebten vergnügt. Schlaglichter, die nur kurz euer Bewusstsein streifen und in der nächsten Minute schon wieder vergessen sind, weil sie euch nichts bedeuten …«
    Â»Das können Sie anderen erzählen«, erwidert Bruno, kein bisschen beeindruckt. »Euren Pseudokrieg, den bekommen wir hier aus nächster Nähe mit. In Echtzeit. Wir sitzen nicht behaglich zu Hause im Wohnzimmer, sondern bis zum Hals in der Scheiße, weil wir euch tagaus, tagein ertragen müssen. Ihr seid nichts als ein gesetzloser Haufen von Banditen, die nicht davor zurückschrecken, Leichen zu plündern und den Ärmsten der Armen das letzte Stück Brot wegzunehmen.«
    Â»Auch das gehört zum Krieg.«
    Â»Zum Krieg gehört vor allem eine Bilanz. Und eure Bilanz ist katastrophal. Viele Mörder eures Schlages haben geglaubt, die Uniform würde die Schwere ihrer Verbrechen mildern. Aber so läuft das heute nicht mehr. Soldat hin oder her, für sie führt kein Weg am Internationalen Gerichtshof vorbei. Und ihr werdet auch noch da landen und für eure Untaten verurteilt werden.«
    Die Erwähnung des Internationalen Gerichtshofs bringt den Hauptmann sichtlich aus der Balance, dem die Straffreiheit, die er in den hiesigen rechtlosen Gefilden genießt, offenbar derart zu Kopf gestiegen ist, dass er eine solche Eventualität nie ins Auge gefasst hat.
    Er schluckt und knurrt mit auffällig wenig Überzeugung in der Stimme:
    Â»Dein Gerichtshof, der kann mich mal …«
    Â»Genau das haben die völkermordenden Tyrannen auch gegrölt, die sich in ihren Dörfern so aufgespielt haben. Und wo sitzen sie jetzt? Kleinlaut auf der Anklagebank. Es wird euch gar nichts nützen, wenn ihr lästige Zeugen beseitigt und um eure Massengräber herum alles schön sauber fegt, um die Spuren euer Verbrechen zu tilgen. Eure eigenen Komplizen werden haarklein über eure sämtlichen Morde und Vergewaltigungen berichten …«
    Jetzt weiß Gerima den Drohungen des Franzosen nichts mehr entgegenzusetzen. Vergebens sucht er nach einem Gegenargument, um wenigstens ansatzweise Haltung zu wahren. Nur die Nasenflügel beben in seinem schweißnassen Gesicht. Bruno, der begreift, dass er ihn verunsichert hat, nimmt all seinen Mut zusammen und setzt an zum Gnadenstoß:
    Â»Die Welt hat sich verändert, Herr Hauptmann. Niemand kommt heute mehr ungestraft davon, nirgendwo. Die neuen Gesetze reichen mit ihren Fangarmen bis in den hintersten Winkel, in dem ihr euch versteckt. Selbst wenn ihr euch in ­einem Nadelöhr verkriecht, man wird euch dennoch aufspüren …«
    Da stößt Gerima einen

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