Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
halben Rücken aufschlitze.« In der anderen Hand barg er den Schädel. »Hättest du ihn mir gegeben, wäre das nicht geschehen. Ich bedaure deinen Tod, der meinen Namen tragen wird, aber ich konnte nicht anders.« Er wandte sich zum Gehen.
»Warte«, bat Sisaroth ächzend. So darf es nicht enden. »Bitte, lass mein Sterben nicht sinnlos sein. Ich opfere mein Leben für Shëidogîs und bringe die Seele des Infamen zurück. Schwöre, dass du von nun an sein Priester sein wirst.«
Tossàlor dachte nach.
»Beeile dich«, sagte Sisaroth und sank zurück. Die Schmerzen in seinem Rücken wurden stärker, der Blutverlust ebenfalls. »Mein Leben schwindet. Es wird den Infamen nicht erfreuen, nur die halbe Lebenskraft seines Priesters zu erhalten.« Er schloss die Augen. »Ein größeres Opfer kann ich ihm nicht darbieten.«
»So soll es sein. Es wird Shëidogîs freuen, was du bereit bist, für ihn zu geben.« Es raschelte, als Tossàlor sich neben ihn kniete. »Was soll ich tun?«
Ohne die Augen zu öffnen, stach Sisaroth blitzschnell zu. Die Stimme des Künstlers hatte ihm verraten, wo sein Dolch treffen musste.
Mit einem dumpfen Geräusch jagte die Klinge durch weichen Widerstand, und Sisaroth hob die Lider. Er hatte Tossàlor durch das Brustbein mitten ins Sonnengeflecht getroffen. »Du sollst für Shëidogîs sterben«, raunte er und schmeckte Blut im eigenen Mund.
Sisaroth riss den Dolch heraus und nahm dem Künstler den skelettierten Kopf ab, hielt ihn in den herausströmenden Lebenssaft. Dass er den Todesfluch der Cîanai auf sich geladen hatte, fiel nun nicht mehr ins Gewicht. Er starb ohnehin.
»Der Infame nimmt dein großzügiges Opfer an, Tossàlor.« Sisaroth sprach die Formeln, die ihm Marandëi beigebracht hatte, während er immer weiter auf eine Ohnmacht zutrieb. Seine Verletzung wog zu schwer, um sie überstehen zu können. Er musste das Relikt auf seiner Brust ablegen. Das Gewicht erschien ihm schwerer als tausend Óarcos.
Ich hoffe, Tirîgon findet mich vor Firûsha. Er wird wissen, was mit dem Schädel zu tun ist. Seine größte Sorge war, dass seine Schwester ihn entdeckte und das Artefakt zerstörte, nachdem die Seele des Infamen zurückgekehrt war. Sie brauchen seine Macht, um Tark Draan zu erobern.
Sisaroths Sichtfeld verringerte sich, Dunkelheit strömte von allen Seiten auf ihn ein.
Tossàlor brach mit einem unverständlichen, gurgelnden Laut auf ihm zusammen, noch mehr Blut schoss aus dem Schnitt und übergoss den Schädel. Die schwarzen Augenhöhlen waren auf Sisaroths Antlitz gerichtet, dann rollte das Relikt des Infamen von seiner Brust.
Sisaroth wurde ohnmächtig.
Phondrasôn
Tirîgon starrte auf den blitzenden Ring an Gàlaidons Finger. Der Assassine! Kann es sein, dass er mich ausgerechnet hier heimsucht?
In Dsôn hatte er stets mit einem Maskierten verhandelt, der sich durch den Schmuck als Virssàgons Schüler auswies. Nach langer, behutsamer Suche war ihm zugetragen worden, wie man ohne Aufsehen einen bezahlten, unerkannten Meuchler in der Stadt traf. Es sei für beide Seiten besser, hatte der Vermummte damals flüsternd versichert, wenn dessen Antlitz im Dunkeln bliebe. Man würde sich im kleinen Dsôn zu schnell wiedersehen. Ich hätte nie geglaubt, dass er es ist!
»Mein Anliegen ist, den Auftrag zu erfüllen, den ich von dir erhielt«, sagte der Alb gleichmütig. »Ich verhinderte, dass ans Licht kam, wer in Wahrheit hinter dem Tod an Sémaina steckt. Die Zeugen und die Neugierigen sind tot.« Die Hand lag drohend am Dolchgriff. »Dafür schuldest du mir Lohn.«
»Was?« Tirîgon fühlte sich wie unter einem Felsbrocken begraben. Das Zimmer drehte sich um ihn, er musste sich hinsetzen. »Du … brachtest meine Mutter um … und du verlangst, dass ich dir dafür …«
Der blonde Alb hob die Brauen, der Blick aus den hellgrünen Augen blieb ungerührt. »Ich hielt mich an meinen Auftrag. Er besagte, jeden in Dsôn zum Schweigen zu bringen, der die Wahrheit über deine Tat ans Licht bringt. Jeden! Das schloss außer deinen gekauften Zeugen ebenso diejenigen Albae mit ein, die sich auf die Suche nach den wahren Vorgängen machten. Beschuldige mich nicht dafür, dass ich dich beim Wort nahm, Tirîgon. Glaube mir, es tat mir leid, Ranôria zu ermorden. Auch dass ich deinen Vater und dessen Gefährtin Cèlantra tötete, bedauere ich, obwohl ich glaube, dass die beiden in der Moräne ohnehin ums Leben gekommen wären. Aber sicher war sicher.«
Er ist … tot? Auch
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