Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)
neben Angelica zu stellen, zerrte Sin voller Niedertracht an ihrer Kette.
Dann trat er vor und nahm huldvoll den Applaus der begeisterten Menge entgegen. Die Gäste riefen ihm laute Lobpreisungen zu, und auch den Congreves wurden Kommentare zugebrüllt. Der Lärm war einfach ohrenbetäubend.
«Bleib bei mir und halt dich an mich», gelang es Angelica, Semjon zuzuflüstern. «Wir werden Antoscha holen, in die Kutsche der Congreves steigen und dann fliehen.»
Angelica wandte sich von den Congreves ab, damit sie Semjon als Ersten hinausführten. Dabei hörte sie kaum noch etwas von dem Gejohle des Publikums. Aber Sins Ausspruch zum Abschied, den hörte sie sehr wohl.
«Soll sie doch alle der Teufel holen», sagte er. Für wen dieser Satz gedacht war, wusste sie zwar nicht, aber ihr Peiniger schien sich damit abgefunden zu haben, sie jetzt gehen zu lassen. Ansonsten wäre es unter den Gästen vielleicht auch zu Krawallen gekommen, dachte sie bei sich.
Als man die beiden durch die verschiedenen Salons des Hauses führte, fiel Angelica auf, dass Sins Heim nicht annähernd so groß und prächtig war wie das herrschaftliche Anwesen der Congreves. Außerdem war es ausgesprochen mühsam, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen.
Die meisten Gäste waren mittlerweile zwar schon im Gehen begriffen, aber einige von ihnen plauderten immer noch ziemlich angeregt. Andere zogen das vorbeiziehende Paar an den Haaren oder betatschten ihre Körper, wenn es ihnen gelang.
Angelica schlug – zumeist blind – auf die lästigen Hände ein, aber die Leute lachten sie nur aus. Als eine Frau ihre Nägel in Semjons Muskeln krallte, erhielt sie als Antwort ein wildes Knurren und kreischte vor Verzückung.
Die Congreves gingen voraus und sprachen dabei links und rechts mit Gästen, die sie kannten oder auch nicht kannten. Angelica sah, dass Mr. Congreve die Hand auf den Hintern seiner Gattin gelegt hatte und immer wieder grob hineinkniff. Offensichtlich hatte das ersteigerte Gut die krankhafte Gier nach Sex noch erhöht, die die beiden umtrieb. Um fliehen zu können, mussten sie und Semjon und … Herrje, wo war eigentlich Antoscha?
Angelica sah sich nach Sin um, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Da! Das war die Tür zur Küche! Wenn es ihr nur gelänge, irgendwie aus dieser Menschenmenge herauszukommen … Kurz entschlossen packte sie einen Mantel, der zu einem ganzen Haufen Kleidungsstücke gehörte, die gerade von einem Diener durch die Menschenmenge getragen wurden.
«Der gehört dir nicht, du dreckiges, kleines Flittchen», zischte er, sah sie zornig an und wehrte sich mit aller Macht gegen ihren Griff. Doch da kam auch schon Semjon hinzu, packte den Mann beim Genick und zog ihn zu Boden, ohne dass irgendjemand etwas davon bemerkte.
Es dauerte nicht lange, und der Diener lehnte bewusstlos an der Wand einer etwas abseits gelegenen Nische des Salons. Und während die Gäste sich über die Kleidungsstücke hermachten und sich in Windeseile die schwersten und edelsten Mäntel überwarfen, setzte Angelica einen Fuß auf den Sockel einer Statue und brach erst einen, dann auch den anderen Absatz ihrer Stiefel ab. So trug sie zwar immer noch Schuhe, konnte darin aber endlich rennen.
Nachdem sie in Windeseile wieder zu den Congreves getreten war, stellte sie voller Erleichterung fest, dass sie noch immer auf ihre Kutsche warteten und sich dabei mit einer Schar Freunde unterhielten. Da sie sehr spät gekommen waren, würde ihre Kutsche sicher als erste gebracht werden.
So blieben also nur ein paar Sekunden, um Antoscha zu finden. Aber Semjon stand nicht mehr dort, wo sie ihn zurückgelassen hatte. Er musste in die Küche gegangen sein. Und genau dort fand sie ihn auch – oder besser gesagt, sah sie gerade noch seinen Tweed-Mantel, während er die Treppe in den Keller hinunterrannte.
Angelica blieb zögernd am Treppenabsatz stehen und hielt Wache. Wenn nun Lucy oder die anderen beiden Mädchen sie hier sehen würden? Doch sie bemerkte nur einige männliche Diener, die sie nicht kannte und die wahrscheinlich nur für diesen einen Abend angeheuert worden waren. Ein oder zwei von ihnen schauten die Schönheit voller Bewunderung an, aber Angelica erwiderte die Blicke mit äußerster Geringschätzigkeit und stummer Kälte.
Wenn man sie schon eine Hexe nannte, dann konnte sie sich auch so benehmen.
Und da kehrte Semjon auch schon aus dem Keller zurück. «Er ist nicht unten», flüsterte er ihr zu, wurde aber von einem Diener
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